Senat redet mit gespaltener Zunge

■ Durchqueren Atomtransporte regelmäßig Bremer Stadtgebiet oder nicht? Der Senat gab widersprüchliche Angaben / Grüne und Naturschützer sprechen deshalb von einem „Skandal“

Fuhren Castorbehälter aus Atomkraftwerken über Bremer Gebiet oder fuhren sie nicht? Der Senat ist sich offensichtlich nicht so sicher: Einmal beantwortete er eine entsprechende Anfrage der Grünen mit „ja“, einmal mit „nein“. „Die wollen möglichst alles vertuschen“, wettert jetzt Lisa Wargalla von den Grünen.

Im Oktober hatten die Grünen in der Bürgerschaft eine kleine Anfrage gestellt. Die Grünen wollten wissen, aus welchen AKWs Castortransporte auf der Schiene durch Bremer Stadtgebiet gefahren sind. Die Antwort: „Transporte in Castorbehältern aus den Atomkraftwerken Brockdorf, Brunsbüttel, Krümmel und Stade liefen nicht über bremisches Stadtgebiet.“

Doch die Grünen ließen nicht locker – sie hatten andere Informationen. In einer zweiten kleinen Anfrage legten die Grünen eine Greenpeace-Liste von Atomtransporten aus genau diesen Kraftwerken vor. Ob die aufgeführten Transporte auch über das „Mahndorfer Gleis“geführt wurden, wollten die Grünen wissen. Antwort: Zehn der aufgelisteten Transporte hätten tatsächlich Mahndorf und damit bremisches Stadtgebiet durchquert.

Das Häfenressort war maßgeblich an der Beantwortung der zwei kleinen Anfragen beteiligt. Dort ist man peinlich berührt. „Möglicherweise ist da eine Panne passiert“, sagt Ingulf Piorkowski, Abteilungsleiter von Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD). „Vielleicht war es auch ein Interpretationsfehler, als die Daten zusammengetragen wurden“. Jedenfalls, so Pirorkowski, „wollten wir auf keinen Fall das Parlament belügen, das wäre eine Unterstellung.“

Lisa Wargalla von den Grünen in der Bürgerschaft wettert, was das Zeug hält. „Der Häfensenator sagt, daß er gegen Atomtransporte ist, aber er ist nicht in der Lage, unsere kleinen Anfragen ordnungsgemäß zu beantworten.“Daß man zweimal Fragen müsse, bevor man die richtige Antwort bekommt, wundert sie. Mögliche Erklärungen für die sich widersprechenden Antworten hat sie gleich drei: „Entweder, der Behörde wird gar nicht mitgeteilt, wenn ein Transport über Mahndorf geht. Oder die Transporte wurden in der ersten Kleinen Anfrage vergessen. Oder, die wollen sich wieder einmal freundlich darstellen.“In ihren Augen arbeitet der Senat bei der Beantwortung solcher Fragen „sehr oberflächlich.“

Der Senat widerspricht sich selbst. Das glaubt auch Helga Rinsky vom Bremer Anti-Atom-Forum. „Die Behörden mauern, wo sie können“, kritisiert sie die Informationspolitik des Senats. Seit 1989 fahren Atomtransporte über bremisches Gebiet - das kann Rinsky beweisen. Aber weder die Behörden noch die Deutsche Bahn fühlen sich zuständig, den Bremer Beiräten Rede und Antwort zu stehen. Erst letzte Woche hat der Beirat Neustadt als sechster im Bunde einem Bürgerantrag von Rinsky zugestimmt, und sich gegen Atomtransporte durch Bremen ausgesprochen. Auch Jörn Behrens von der Greenpeace-Gruppe Bremen ist empört: „Das ist ein absoluter Skandal“, meint er. „Die Behörde, die es eigentlich wissen müßte, hat offensichtlich keinen Überblick.“Behrens bestätigt, daß die Liste, die für die zweite Anfrage vorgelegt wurde, ausschließlich Transporte mit Castoren auflistet. Damit ist auch die Vermutung vom Tisch, es seien nur ungefährliche Atomgüter aus den vier AKWs über die Gleise gerollt. Am Ende des Monats wird das Thema Atomtransporte dann auf der Tagesordnung der Bürgerschaft stehen. Christoph Dowe