Ein Karnevalsverein wird plötzlich renitent

■ Gegen Bayer Leverkusen verspielt Basketball-Meister Alba Berlin eine gigantische Halbzeitführung, schleppt sich am Ende aber doch noch zu einem glücklichen 83:80-Erfolg

Berlin (taz) – „Ihr seid nichts als ein Karnevalsverein“, sangen die Fans von Alba Berlin fröhlich, als ihr Team die Basketballer von Bayer Leverkusen in der ersten Halbzeit nicht nur in Grund und Boden spielte, sondern in mancher Szene sogar lächerlich machte. Wäre es nicht Leverkusen gewesen, die 8.500 Zuschauer in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle hätten wohl pietätvoll geschwiegen. Aber Mitleid mit dem Erzrivalen, der den Berlinern früher die Meisterschaften in Serie wegschnappte? Pustekuchen! Luft geholt und losgeschmettert: „Zweite Liga, Bayer ist dabei!“

Einen „Klassenunterschied“ mußte auch Leverkusens Coach Dirk Bauermann für die erste Spielhälfte einräumen, als sein Team mit bis zu 25 Punkten zurücklag. Dennoch sang nach der Pause niemand mehr. Mit einer 17:0-Serie reduzierten die Gäste ihren Halbzeitrückstand von 21 Punkten binnen weniger Minuten drastisch, und die spöttischen Weisen wurden flugs durch ängstliche „Alba“-Beschwörungen ersetzt. Übermütig waren die Berliner aus der Kabine gekommen, mit der Absicht, noch ein wenig Schabernack zu treiben. Die Leverkusener aber trafen nun fast nach Belieben, während sich bei den Gastgebern die Strapazen der erfolgreichen Europaliga-Reise zwei Tage zuvor nach Barcelona bemerkbar machten. In der Abwehr waren sie plötzlich hilflos, im Angriff ohne Ideen und Konzentration.

Darauf hatte Bauermann spekuliert. „Wir wußten, daß sie müde sein würden und wollten möglichst lange im Spiel bleiben“, sagte der Coach, dessen Team 70 Sekunden vor Schluß sogar mit 80:79 in Führung ging. Henning Harnisch glich mit einem verwandelten Freiwurf aus, dann unterlief Bayer ein folgenschwerer Ballverlust. Wiederum Harnisch verwandelte zwei Freiwürfe, Taylor schaffte noch einmal das 82:82, aber dann setzte Wassili Karassew in letzter Sekunde einen Dreier zum frenetisch umjubelten Alba-Sieg in den Korb. „Das macht der auch nicht jeden Tag“, grämte sich ein enttäuschter Bauermann, der wegen der offensichtlichen Ermattung des Gegners auf eine Verlängerung spekuliert und entschieden hatte, den Russen nicht zu foulen.

Für Alba-Coach Svetislav Pesic, der stets postuliert, daß der deutsche Meistertitel für ihn wichtiger sei als internationale Meriten, sind die zittrigen Bundesliga-Auftritte nach großen Europaliga-Partien überaus ärgerlich. Dennoch hatte er sich nach dem Happy-End, das durch die Bonner Niederlage gegen Bayreuth zusätzlich versüßt wurde, schnell gefangen. „Zu diesem Spiel gibt es nichts zu sagen“, behauptete er zunächst, ließ sich dann aber doch zu einigen Sätzen animieren. „Es ist nicht leicht, nach einem Sieg in Barcelona und einer solchen Halbzeitführung die Konzentration zu finden, um zu spielen, wie man spielen muß“, zeigte er Verständis für sein strapaziertes Team. Darum habe er den Spielern in der Kabine auch bloß einen Satz gesagt: „Schöne Grüße für eure weitere Reise.“ Die führt am Donnerstag schon wieder nach Bologna. Matti Lieske