■ Vorlauf
: Die Verwandlung

„Mein ist die Rache“, 20.15 Uhr, ZDF

Als Aschenputtel eines Abends, aus unruhigen Träumen erwachend, das ZDF einschaltete, da fand sie sich in eine schüchterne Kindergärtnerin verwandelt. Ihr Name war Evi, dargestellt wurde sie von Nadja Uhl, und sie war gefangen in einer freikirchlichen Gemeinde der Gegenwart, in Farbe, 16:9 und in Stereo, aber trotzdem immer noch arm – eine Kirchenmaus. Der Prinz hatte sich ebenfalls ziemlich verändert. Als Anlageberater Richie (Ulrich Noethen) zog er unter „Start me up“-Gedudel der Rolling Stones durch die Lande und brachte mit betrügerischen Renditeversprechen (23,3 Prozent!) seine raffgierigen Kunden zum Geifern und Bezahlen. Auch die böse Stiefmutter, hier als freikirchlich-finanzaktiver Dekan Kröger (Lambert Hamel) wiederkehrend, zählte zu seinen Opfern. Der Dekan war doppelt böse: gierig nach dem Geld und gierig nach der unschuldigen Evi.

Und wie's weitergeht, wissen wir alle. Ganz klar: Richie rettet Evi aus den Fängen der Religion. Zudem behebt er in bester Pretty- Woman-Tradition die Mängel ihrer allzu christlichen Abendgarderobe – wäre ja auch eine Schande, liefe die Stralsunder Schönheit Nadja Uhl den ganzen Abend lang als züchtiges Mäuschen verkleidet herum. Wer jetzt allerdings ein Happy-End trapsen hört, hat sich von Drehbuchautor Fred Beinersdorfer täuschen lassen. In der zweiten Halbzeit, die Zuschauer sind schön eingelullt, stellt Beinersdorfer klar, daß er eines nun überhaupt nicht ist: ein Märchenonkel. Allenthalben geht es menschlich plötzlich arg bergab, insbesondere mit der ehedem so frommen Evi, und tief ist der Fall nach dem märchenhaften Einstieg. Betrug und Rache, Entführung und Mord – kurz: ein sehenswerter, weil spannender und beklemmender Film.Stefan KuzmanyFoto: ZDF