■ USA: Die Drohung eines Militärschlages gegen Irak nutzt Saddam
: Déjà vu

Ist es ein Déjà-vu-Erlebnis, oder hat jemand die Rewind-Taste gedrückt? Der irakische Diktator Saddam Hussein legt den UN-Waffeninspektoren erneut Steine in den Weg, droht mit deren Ausweisung und hält feurige Reden über Iraks Bereitschaft, jeglicher Aggression von außen entgegenzustehen. Die USA und Großbritannien antworten erwartungsgemäß mit dem üblichen Säbelrasseln. Die Saison 1998 wurde so eröffnet wie die 1997 beendet wurde.

Die jetzige amerikanisch-britische Kanonenbootpolitik ist kaum darauf angelegt, den Konflikt zu lösen. Vor allem in den USA werden Stimmen laut, die nach einem militärischen Schlag rufen, und London schickt seinen Flugzeugträger HMS Invincible – die Unbesiegbaren – ins Krisengebiet: als „unmißverständliches Zeichen, daß Großbritannien zum Kampf bereit ist“, wie es ein Sprecher des dortigen Außenministeriums formulierte.

Militärisch mögen die USA unbesiegbar sein, politisch könnten sie sich als verwundbar erweisen. Denn die politische Lage im ohnehin schon ausgebluteten Irak wird derartiges kaum verändern. Und genau das ist Saddam Husseins Trumpfkarte. Er hat wenig zu verlieren. Solange der Konflikt brodelt, neigt das Volk dazu, sich vor der Gefahr von außen um seinen Diktator zu scharen. Auch international schadet es dem Regime wenig, das Thema Sanktionen und UN- Waffeninspektoren ständig am Kochen zu halten. Im besten Falle kann Saddam damit sogar für kleine Erfolge sorgen.

Sieben Jahre nach dem Golfkrieg ist die Anti-Irak- Koalition von damals de facto auseinandergebrochen. Saddam Husseins Politik, die internationale Gemeinschaft ständig daran zu erinnern, daß der Fall Irak alles andere als gelöst ist, treibt den Keil in der ehemaligen Koalition seiner Gegner immer tiefer. Im UN-Sicherheitsrat wächst der russisch-französisch-chinesische Unmut gegen eine US-Politik, die mit Sanktionen zwar das irakische Volk aushungert, den irakischen Diktator aber noch fest im Sattel läßt.

Auch die arabischen Staaten, einst zumindest teilweise Mitglieder der Anti-Irak-Koalition, sind wohl kaum mehr für irgendwelche militärischen Abenteuer im Irak zu haben. Je lauter der US-Säbel rasselt, desto einiger ist sich die arabische Welt in ihrer Weigerung, erneut Gewalt gegen den Irak anzuwenden. Selbst der Außenminister Kuwaits, jenes Landes, das vor sieben Jahren von irakischen Truppen besetzt worden war, sprach sich unlängst in Kairo gegen jegliche Gewaltanwendung gegenüber dem Irak aus.

In diesem Sinne nützt die ständige Drohung mit einem Militärschlag nur dem irakischen Regime. Saddam Hussein hofft auf erneute Solidarität seiner arabischen Nachbarn, mit deren Hilfe er langsam auch das Embargo auflösen kann. Je höher die Spannungen heute, desto eher vergessen diese Nachbarn die Golfkrise von damals.

Kurzum: Die Drohung mit militärischen Schlägen ist ungeeignet, um diesen Konflikt zum lösen. Genau das aber, sagen die im Nahen Osten so zahlreichen Verschwörungstheoretiker, sei gar nicht das Ziel Washingtons, das den Status quo erhalten wolle. Irak ist auf Jahre hinaus im nahöstlichen Kräftegleichgewicht als militärischer Gegner des US-Verbündeten Israel und der befreundeten ölproduzierenden Golfstaaten ausgeschaltet. Gleichzeitig hält Saddam den Irak zusammen – und unberechenbare Faktoren wie die Kurden oder die mit dem Iran verbündete Schiiten in Schach. Würde Saddam nicht existieren, argumentieren sie – die USA hätten ihn erfinden müssen.

Glaubt man den Verschwörungstheoretikern, kann es gegenüber dem unter Diktatur und Sanktionen leidenden irakischen Volk wohl kaum eine zynischere Politik geben. Glaubt man ihnen nicht, kann die derzeitige US-Politik nur als inkompetent beschrieben werden. Drohgebärden und militärische Schläge sind kein Ersatz für strategische Außenpolitik, die darauf ausgelegt sein sollte, einen sieben Jahre andauernden Konflikt zu lösen und nicht nur für die Ewigkeit zu verwalten. Karim El-Gawhary