Globaler Protest gegen Pharma-Multi

1.600 Boehringer-Beschäftigte aus Mannheim demonstrierten in Basel gegen die neue Konzernmutter Roche. Sie will im Zuge der Übernahme über 4.000 Stellen streichen, fast die Hälfte in Deutschland  ■ Aus Basel Holger Kulick

Basel (taz) – Die Schweizer Grenzpolizei reagierte spontan: „Wir verzichten auf Kontrollen, denn wir sind auf Ihrer Seite!“ Im Sonderzug trafen Samstag vormittag 1.200 Beschäftigte aus dem Mannheimer Pharmaunternehmen Boehringer in Basel ein, weitere 400 in ihren Autos, um 37.000 Protestunterschriften an die Leitung ihres neuen Konzernherrn, der Roche Holding AG, zu übergeben.

Der Schweizer Pharmariese hat im vergangenen Juni das fast 140 Jahre alte Mannheimer Familienunternehmen für 19 Milliarden Mark gekauft. Schon im Oktober kündigte Roche an, daß die „Integration“ zu einem Abbau von 4.000 bis 5.000 Stellen führen werde, ohne genaue Details bekanntzugeben. Der Betriebsrat geht seitdem davon aus, daß in Mannheim etwa 1.500 Stellen gestrichen werden sollen, rund 500 in Kaiseraugst und 90 Stellen im Werk Grenzach – vor allem in der Forschung.

„Auf Globalisierung des Gewinnwirtschaftens muß mit Globalisierung des Protests geantwortet werden“, machte sich der Betriebsrat zum Motto und organisierte mit den Kollegen der Schweizer Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) den Protest „gemeinsam gegen den Stellenabbau“. Roche-Beschäftigte aus der Schweiz und Italien schlossen sich in Basel an.

Baseler Bürger reagierten mit Beifallsbekundungen aus ihren Fenstern. Doch viele bleiben skeptisch, ob der Protest überhaupt nützt. Denn Roche habe seit 1994 bereits rigoros über 1.400 Stellen in der Schweiz gestrichen, was einem Fünftel der Belegschaft entspricht, und dabei 340 Angestellte entlassen.

Dabei steht der Konzern glänzend da. So wurde am Vortag der Demonstration bekannt, daß Roche seinen Konzernumsatz 1997 erneut um 18 Prozent auf 18,77 Milliarden Franken (22,5 Milliarden Mark) steigern konnte. Auch der Gewinn wird wahrscheinlich steigen. Er kletterte 1996 bereits um 15,6 Prozent auf 3,9 Milliarden Franken. Und für die Übernahme von Boehringer Mannheim hatte Roche nicht eine Mark an den deutschen Fiskus zahlen müssen. Denn den Sitz der Mannheimer Firmenholding ließ der letzte Eigentümer Curt Engelhorn rechtzeitig auf die Bermudas verlegen. Die Schweizer Behörden haben die „feindliche Übernahme“ bereits erlaubt, die Genehmigung durch die EU-Kartellbehörden wird bis 13. Februar erwartet.

Ab Mitte 1999 würden die „Synergieeffekte der Boehringer-Akquisition greifen und einen weiteren Gewinnschub bewirken“, so ein Firmensprecher. Deshalb können die Boehringer-Beschäftigten noch weniger verstehen, warum die Planungsszenarien umfangreichen Stellenabbau vorsehen.

„Der Aktionär ist das größte Säugetier“, trugen Demonstranten Plakate des Karikaturisten Klaus Staeck mit sich, der auch am Demozug teilnahm. Staeck hat im Mannheimer Technikmuseum eine Plakataktion für Boehringer mitorganisiert und nannte das Vorgehen der beiden Pharmariesen einen „in seiner ganzen Brutalität beispiellosen Vorgang“.

Die Geschäftsführung von Boehringer hatte dem Betriebsrat nahegelegt, auf den grenzübergreifenden Protest zu verzichten, „um die Verhandlungen nicht zu erschweren“, teilte aber nicht mit, worüber genau verhandelt wird. Deshalb beschloß der Betriebsrat, den Demozug auf jeden Fall durchzuführen.