Götter der Haare unter sich

■ Bremer Haar-Elite zeigte im Überseemuseum, wie man dieses Jahr Paris auf hanseatisch münzt / Seitenscheitel, Haarlack und Geishas sind total voll „in“

Hach, es war so schön! Die Gei-shas mit dem Sake hier, die jungen Frauen mit den bauchfreien Hochsommer-Kleidchen aus Bremen-Nord dort. „Go“entfährt es dem „Intercoiffeure“in der letzten Reihe, und die Frauen auf dem Laufsteg reagieren und staksen auf zu hohen Schuhen. Die selbsternannte Friseur-Elite Bremens hatte ins Übersee-Museum geladen, um zu zeigen, wie man das Neuste aus Paris auf hanseatisch ummünzt.

Überhaupt Paris. „Wir sehen uns in Paris“. „Ja, wir sehen und in Paris.“Beflissen schütteln sich die zwei Herren mit den schwarzen Hemden, nach Haarpuder duftend, die Hände. „Ich habe 15 Jahre in Paris gearbeitet“, erinnert sich auch Horst Brunke, 62 Jahre alt und sowas wie der „Vater“, weil früher Lehrmeister, der Hälfte der Intercoiffeure. Außerdem ist er eines der wenigen Ehrenmitglieder der Intercoiffure („Im ganzen Bundesgebiet nur drei oder vier“).

„Die Intercoiffure, das ist sowas wie eine Loge“, erzählt Brunke. Einmal im Monat trifft sich die Regionalgruppe, die es seit 1930 gibt, und dann wird auch über schriftliche Neubewerbungen entschieden. Wer gefällt, der darf ein Jahr Gast bei den erlauchten Haarschneidern sein, dann erst wird er aufgenommen. „Sie brauchen einen Fürsprecher“, ergänzt Brunke, „und die Optik des Salons muß von außen und innen stimmen. Wir nehmen nicht jede Eck-Klitsche.“

Intercoiffeure, das sind selbsternannte Haargötter, ein echt exklusiver Verein. Ihre Aufgabe: die große weite Welt in Herrmanns Haarschneidestudio holen. „In Bremen richten sich viele Friseure nach uns“, erzählt auch Torsten Dembny, der in Vegesack seinen Salon hat. Von 64.000 Friseuren in Deutschland sind nur 350 im Edel-Club. Von Bremens 500 Haarschneidern gehören weniger als ein Dutzend zur Elite. „Die Intercoiffeure haben den Anspruch, mehr zu machen als normale Friseure“, faßt Brunke zusammen.

Auch Peter Ströbl hat es geschafft. Bei Brunke gelernt, heute im Club. Später hat er Ehrenmitglied Brunkes Friseur-Salon in Bremen-Nord übernommen. „Haarmode muß man auch gesellschaftspolitisch sehen“, findet Ströbl. „Wenn man erzogen wird, nachlässig zu sein“, so Intercoiffeur Ströbl, „dann geht es auch uns schlechter.“Doch merci, die Gesellschaft kümmert sich wieder um Haare. Auch Brunke freut sich: „Der Trend zum cleanen und gepflegten Aussehen bei den jungen Leuten ist wieder da.“

Doch halt. „Die ältere Dame, die immer belächelt wird, ist immer noch unsere beste Kundin“, erzählt Dembny. Die Menschen zwischen 20 und 40, sie meiden die Berater in Sachen Kopfschmuck. „Seit Jahren stagniert die Besuchshäufigkeit bei Friseuren“, weiß Dembny. Zwischen 6,3 und 7,3 mal im Jahr kommen die Kunden unters Messer. Um so wichtiger, daß neue Kundschaft unter die Föhnhauben gelockt wird. Und deshalb auch der ganze Aufwand hier, mit Buffet und Prominenz.

Das cleane und gepflegte Aussehen, auf hanseatisch heißt das 1998 vor allem: Seitenscheitel und Haarlack. Maren, Indra, Claudia und Andrea haben eben jenes auf dem Kopf und sehen auch sonst sehr aufgeräumt aus, in ihren Negliges. Die Intercoiffure-Philosophie: Mode „zwischen Mut und Markt“, orientiert sich nicht am Bungee-Jumper sondern an Jura-Studentinnen im gehobenen Semester. „Verbraucherfreundlich“ist ergo das Stichwort des Tages und Purismus (“weniger ist mehr – hohe Kunst des Weglassens“) angestrebt. Wegen der klaren Linien auch das Japan-Motto und die Geishas und das japanische Bier und das Sushi und der japanische Vizekonsul und das ganze Ambiente hier in der Japan-Ecke des Übersee-Museums.

„Spart jetzt nicht mit den Filmen hier“, frohlockt Udo Iden, Obmann der Bremer Intercoiffeure beim Finish-Foto und feuert die Meute an. Die drei großen Intercoiffure-“P's“, nämlich „Persönlichkeit, Pragmatismus und Provokation“sind auch auf seinem Kopf ausgewogen. Dann blitzt der letzte Blitz, und die Auslöser werden ein letztes Mal ausgelöst, und Bremen weiß endlich wieder, was man in der weiten Welt so trägt.

Christoph Dowe/F.: Wolff