Gastkolumne
: Politik bedeutet Handeln

■ Bremens finanzielle Eigenständigkeit endet im Jahre 2004

Alle Hoffnung ruht auf einem einzigen Satz. „Im Jahre 1997 überprüfen Bund und Länder gemeinsam in Anlehnung der dann gegebenen Haushaltslage aller Länder, ob zur Haushaltsstabilisierung Bremens und des Saarlandes weitere Sanierungshilfen erforderlich sind.“(§ 11 Abs. 6 Satz 2 Finanzausgleichgesetz) Es lohnt nicht, die juristische Sprödigkeit dieses Satzes aufzudröseln. Das Jahr 1997 ist vorbei. Nur Narren spulen diesen Satz weiter von ihren Gebetsmühlen. Die Fakten sind anders.

Offenbarungseid

War 1994 am Beginn des Sanierungszeitraums als schlimmster Fall befürchtet worden, Bremen würde trotz der jährlichen Hilfen von 1,8 Milliarden Mark seine damals mit 16 Milliarden Mark bezifferten Schulden bis 1998 nicht gänzlich auf die verabredeten 9,7 Milliarden senken können, lautet der Offenbarungseid nun, daß Bremen am Ende der Sanierung statt der damals als ungeheuerlich empfundenen 16 Milliarden mehr als 20 Milliarden Mark Schulden tragen muß.

Die Situation wird nicht dadurch erleichtert, daß Bremen im letzten Jahrzehnt äußerste Haushaltsdisziplin gewahrt hat und der Sparsamsten einer im Lande war und ist. Damit wird nur unterstrichen, daß der Stadtstaat im förderativen System der Bundesrepublik nicht lebensfähig ist. Das wird als Überzeugung der Ländergemeinschaft gegenüber Bremen offen ausgesprochen. Der Bund, der seine eigenen Schulden seit 1991 verdoppelt hat und finanziell nicht weiter- weiß, unternimmt nichts gegen die Verweigerungshaltung der Länder.

Gigantische Schuldenlast

Und wer noch weiß, wie schwer sich seinerzeit Karlsruhe getan hat, um in Sachen Bremen überhaupt zu einem Spruch zu kommen, kann auch auf kein neues Urteil hoffen. Sechs Jahre gilt noch das gegenwärtige finanzielle Ausgleichssystem im Bund, das Bremen ein Existenzminimum von 92 Prozent des jeweiligen Bundesdurchschnitts gewährt. Angesichts der gigantischen Schuldenlast findet Politik in Bremen dann nicht mehr statt. Was nach 2004 kommt, weiß noch niemand, aber sicherlich keine ausreichende Alimentierung durch die anderen.

Bremen als belagerte Festung

Bremen gleicht also einer belagerten Festung, die nicht gestürmt, sondern ausgehungert werden soll. In coolen Sprüchen sagen das die Geberländer schon jetzt. Natürlich weiß man auch im Hause des Festungskommandanten Bescheid. Der Rücktritt des letzten Finanzsenators hatte ganz sicherlich auch hier seine Ursache. Kluge Banker wissen, wann Schluß ist. Noch will keiner das Tabu brechen und über das Ende von Bremens Selbständigkeit reden. Aber Beschwörungsformeln durchbrechen nicht den Belagerungsring.

Die Tabuisierung ist so stark, daß der Senat es nicht einmal wagt, eine interne Arbeitsgruppe darauf anzusetzen, die Folgejahre nach 1998 zu bedenken, wenn kein Geld mehr aus Bonn kommt und der 1999er Haushalt nicht mehr ausgeglichen werden kann. Auch in Parlament und Parteien fragt keiner danach – noch nicht. Neue Schulden wären eine Wahnsinnstat. Der Ausweg hülfe auch nicht lange, weil die Verweigerung der Kredite durch seriöse Banken bald in Sicht käme. Das Tafelsilber ist verscherbelt, und irgendwann sind selbst die Gardinenstangen abgenommen. Das gehört zum Konzept der Aushungerer. Bremen muß das Gesetz des Handelns wieder für sich zurückgewinnen.

Senat muß Modell entwickeln

Bremen muß offensiv werden. Der Senat muß die Möglichkeit einer Länderneugliederung selbst thematisieren und selbst Modelle entwickeln. Er muß aufhören mit dem Verkauf von wichtigem Stadteigentum, das für die Zeit danach erhalten werden muß. Er muß mit Hannover verhandeln, weil eine Ländererneuerung in Norddeutschland radikale Veränderungen in bisherigen Verwaltungsstrukturen bewirkt. Der Großraum Bremen gewönne ein ganz neues Gewicht. Der Speckgürtel würde gesprengt und anders mit Bremen verbunden. Oldenburg, Osnabrück, Hannover bekämen die Auswirkungen zu spüren. Darüber muß verhandelt, aber vor allem zuerst nachgedacht werden.

Die Neuordnung kommt

Daß diese Neuordnung einmal kommt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Zeit bis dahin kann lang werden. Bremen darf sich aber den anderen nicht erst dann ausliefern, wenn sie es finanziell erdrosselt haben. Es muß vorher seine Bedingungen artikulieren. So nur macht man Politik.

Horst-Werner Franke,

Senator a.D.