■ Kommentar
: Schluß mit der Kriecherei

Umweltsenator Peter Strieder (SPD) nutzte vor einigen Tagen seinen Neujahrsempfang, um noch einmal die Perspektiven der Stadt zu preisen mit jenen großartigen Worten, die immer hohler klingen. Der Zuhörer hat dabei oft den Eindruck, im Visier der politisch Verantwortlichen steht der gewünschte Neu-Berliner, während das einheimische Personal zur lästigen Größe wird. Das kommt nicht von ungefähr. Der Senat hat entgegen seiner anderslautenden Rhetorik längst begriffen, daß sein Entwicklungsmodell einer boomenden Dienstleistungsmetropole gescheitert ist. Zur letzten Hoffnung wird daher der Regierungsumzug. Deswegen wird das Bonner Personal hofiert.

Eilfertig signalisiert der Regierende Bürgermeister Ausnahmeregelungen, weil die Bonner das Gymnasium nicht nach der sechsten, sondern wie am Rhein gewohnt nach der vierten Klasse beginnen möchten. Der in Berlin nicht obligate Religionsunterricht wird sofort zum Thema, wenn die rheinischen Christen mosern. So geht es weiter: Jawoll, eine Nobel-Kita für den Bundestag, bitte sehr. Expreß-Abitur – kann man doch drüber reden. Und auch der Wunsch nach bevorzugter Einstellung von Lehrern, deren Gatten wegen des Regierungsumzugs nach Berlin ziehen, paßt ins Bild.

Aus Mauerzeiten Überkommenes auf den Prüfstand zu stellen, sich Fragen von außen auszusetzen, kann für Berlin nur richtig sein. Manches an der Schule ist reformbedürftig – aber dies muß im Kontext der Berliner Diskussionen und Erfahrungen geschehen, nicht als Reflex auf Wünsche der Bonner. Die Eilfertigkeit, mit der ein Senat auf jeden Wunsch aus Bonn reagiert, offenbart einen beschämenden Mangel an Selbstvertrauen. Erst Metropolenwahn und olympische Illusionen – nun die Kriecherei vor den Bonnern.

Es wirkt wie die vorweggenommene Abdankung auf die Ebene einer kommunalen Vertretung – ein Bedeutungsverlust, der dem Senat mit dem Umzug der Bundesregierung ohnehin droht. Dabei gibt es keinerlei Grund für solch duckmäuserisches Verhalten. Der Zug nach Berlin ist längst abgefahren. Es ist an der Zeit, daß der Senat den Bonnern deutlich macht: Wer hierher kommt, hat sich auf Berlin einzustellen – nicht umgekehrt. Gerd Nowakowski