Die Herumkutscherei und die Paragraphen

■ Die modernen Methoden der Schweinemast verstärken die Wirkung der Seuche. Doch mit der neuen Hygiene-Verordnung der Bundesregierung werden Großbetriebe eher noch gefördert

Was müßte sich ändern, um die regelmäßigen Krankheitsschübe in der Schweinemast zu mindern? Schließlich ist es nicht nur eine ethische Frage, wenn aus Vorsorge Tausende von Rüsselträgern in den betroffenen Gebieten umgebracht werden, obwohl sie gar nicht krank waren. Dadurch, daß die Tierseuchenkassen in den verschiedenen Ländern für die Tiere bezahlen, werden auch Landwirte und öffentliche Kassen mit satten Millionenbeträgen betroffen.

Riesige Agrarfabriken sind für die Bundesregierung nicht der auslösende Faktor für den Ausbruch der Seuche: „Die Schweinepest trifft große wie kleine Betriebe gleichermaßen“, so gestern ein Sprecher. „Auch die Chance der Übertragung durch Wildschweine ist nicht an die Betriebsgröße gebunden.“

Daß mit den modernen Mastmethoden mehr Schweine weiter durch die Gegend gefahren werden als früher, bestreiten jedoch auch die Verfechter der agrarindustriellen Produktion nicht: In den Niederlanden brach sich die letzte Schweinepest auch deswegen landesweit freie Bahn, weil die Viren über zentrale Besamungsstationen verbreitet wurden. Und nach der Geburt der per künstliche Befruchtung erzeugten Ferkel geht die Reise meist erst richtig los. Die Ferkel werden heutzutage nach wenigen Wochen bei der Muttersau zu einem Mäster gefahren und dort möglichst schnell zur Schlachtreife herangepäppelt. Das Ende bringt auch kaum noch der Fleischer um die Ecke, sondern ein weit entfernter Großschlachthof, der den überaus strengen EU-Normen genügt. Dort treffen dann Tiere aus der ganzen Region ein, die Transporter der Händler sorgen für eine schnelle Verbreitung der Krankheit, wenn sie erst einmal in Umlauf ist.

Reagieren will die Bundesregierung auch mit einer Novelle der Hygiene-Ordnung für die Schweinehaltung. Mitte November wurde der Entwurf an verschiedene Verbände im Agrarbereich verschickt. „Die Verordnung sieht vor, aus einem schweinehaltenden Betrieb ein Hochsicherheitsgefängnis zu machen“, kritisiert Horst Seide von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die AbL vertritt die kleineren Betriebe und liegt oft quer zu den Ansichten von Landwirtschaftsministern und dem Deutschen Bauernverband. Die Verordnung unterscheidet nicht zwischen Großbetrieben und dem überwiegend selbstversorgenden Kleinbauern. Ställe brauchen dann eine Desinfektionsschleuse und müßten sowieso vom Rest des Betreibes „baulich getrennt“ sein – adieu Bauernhof. Freilandschweine dürfen sich nur noch hinter zwei Gitterzäunen von mindestens 1,5 Meter Höhe suhlen. Besucher dürfen gar nur noch mit Schutzkleidung oder Wegwerfklamotten in den Stall. Das wäre wohl das Ende der Besuche von Kunden, die sich auf Kleinbetrieben die Schweine auch mal ansehen wollen, deren Koteletts sie sonst zum Beispiel beim Naturland-Metzger kaufen.

„Die neue Verordnung wäre wieder eine Selektion hin zu den Großbetrieben“, kritisiert die AbL. „Denn nur die könnten sich diese Sicherheits- und Absperrmaßnahmen überhaupt leisten.“ Der unfreiwillige Tourismus von Ferkeln und Schweinen wird hingegen in dem Regierungsentwurf nicht eingeschränkt. Reiner Metzger