Waren minderer Güte

■ Mit der Besteuerung von Sponsorengeldern gefährdet Theo Waigel die junge Kooperation zwischen Wirtschaft und Kultur. Er handelt damit nach der Funktionslogik seines Hauses

„Die Förderung der Künste kann nicht alleinige Aufgabe des Staates sein“, hatte Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen in einer Veranstaltung über Kultursponsoring verfügt. Einer wie Diepgen weiß, was Kultur kostet. Deshalb wollte er es sich nicht nehmen lassen, die willigen Geldgeber von Siemens bis Mercedes künftig auf die schönen Künste und das kulturelle Wohl der Stadt zu verpflichten. Angesichts leerer Kassen und des sukzessiven Rückzugs des Staates aus der Kulturförderung wich das Mißtrauen vieler Kulturschaffender gegen drohende Vereinnahmungen durch den schnöden Mammon vergleichsweise rasch.

„Schluß mit den Berührungsängsten“, lautete fortan das Credo, wenn Industriemanager und Künstler aufeinandertrafen. Inzwischen formiert sich gar ein Aktionsbündnis aus Wirtschaft und Kultur. Der Grund ist der Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen, der vorsieht, daß Sponsoringeinnahmen gemeinnütziger Organisationen ertragssteuerlich behandelt werden müssen. Im Klartext: Von jeder Mark, die ein Kulturmacher von einem Sponsoren erhält, muß er 41 Pfennig an Steuern wieder abführen. „Am Goethe-Institut“, so Wilfried Eckstein aus der Zentralverwaltung des Instituts, „läßt sich das absurde Verhalten des Fiskus beispielhaft aufzeigen. Wenn in den USA, in Italien oder in Ghana ein Unternehmen für eine Ausstellung gutmeinend 100.000 Mark bereitstellt, dann freut sich der heimische Fiskus, denn er erhält daraus 41.000 Mark.“ Kulturverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) haben nun die Rücknahme des Erlasses gefordert. Es sei zynisch, sagte der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Martin Roth, wenn die Politik mehr Eigeninitiative bei der Finanzierung verlange, ihnen aber einen Gutteil der eingeworbenen Mittel wieder wegnehme.

Das Finanzministerium hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Im Haushalt verplantes Geld gibt Waigel nicht kampflos wieder her. Mit dem Erlaß solle die „Bereitschaft der Unternehmen zum Sponsoring gefördert und zugleich Rechtssicherheit von Sponsoren und beteiligten Empfängerorganisationen geschaffen werden“, heißt es aus dem Ministerium.

Waigel handelt nach der Funktionslogik seines Hauses. Mit Sonntagsreden über die kulturelle Pflicht von Sponsoren kann er sich nicht lange aufhalten. Steuerpolitisch möchte er Kultur als eine Ware wie jede andere behandeln. Das dürfte sogar Diepgen mißfallen, der vor drei Jahren prominente Spielerrunden für den Erwerb von Otto Dix' „Skatspielern“ an den Zockertisch brachte. Aus Sicht des Gesetzgebers war das Unternehmen illegal. Glücksspiel zählt wie Prostitution zu den demeritorischen (schädlichen, wenig verdienstlichen) Gütern. Diese sind grundsätzlich verboten und können erst per Ausnahmeregelung wieder zugelassen werden. Das wäre nach Logik des Fiskus ein attraktives Behandlungsmuster für Kultur. Der Bürger muß prinzipiell geschützt werden. Was er trotzdem will, dafür muß er kräftig Steuern zahlen. Die Unterscheidung von Kulturwaren minderer und gehobener Güte, die der Kunstkritik soviel Kummer macht, könnte dem Finanzminister mühelos und gewinnbringend gelingen. Harry Nutt