Suharto hat noch nicht genug

■ Wiederwahl des indonesischen Präsidenten gilt als sicher. Der Suharto-Kritiker und wichtige religiöse Führer Wahid liegt im Koma

Bangkok (taz) – Indonesiens Präsident Suharto enttäuscht seinen Klüngel nicht: Er macht weiter. Der 76jährige habe sich „bereit erklärt“, für eine siebte Amtszeit zu kandidieren, verkündete gestern in Jakarta der Chef der Regierungspartei Golkar, Harmoko. Damit steht Suhartos Wiederwahl nach 32jähriger Herrschaft fest. Denn er hat die Mehrheit der Abgeordneten in der „Beratenden Volksversammlung“ selbst ernannt, die den Staatschef am 10. März „wählen“ soll. GegenkandidatInnen aufzustellen ist bislang nicht üblich.

Wen Suharto als seinen Vizepräsidenten – und damit wahrscheinlichen Nachfolger – akzeptieren wird, ist hingegen völlig offen. Angesichts der Wirtschaftskrise hatten Dissidenten, Akademiker und Geschäftsleute den Präsidenten in den letzten Wochen offen zum Rücktritt aufgefordert.

Eine zweite Hiobsbotschaft erreichte gestern die indonesische Opposition: Abdurrahman Wahid, der Chef der 30 Millionen Mitglieder starken muslimischen „Gemeinschaft der Rechtsgelehrten“, Nahdlatul Ulama (NU), lag gestern nach einem Schlaganfall im Koma. Wahid ist eine der einflußreichsten Persönlichkeiten Indonesiens. Er setzt sich seit Jahren für mehr Demokratie und eine Verständigung zwischen den Religionsgemeinschaften und Völkern des Landes ein. Knapp 90 Prozent der 202 Millionen IndonesierInnen sind Muslime.

Die wachsende Unzufriedenheit im Land über die große Kluft zwischen Arm und Reich, Korruption und die Habgier einer kleinen Elite explodierte in den letzten Jahren immer wieder in Ausschreitungen gegen religiöse und ethnische Minderheiten. In vielen Moscheen predigten radikale Geistliche vor allem gegen die chinesische Minderheit, die als besonders reich gilt. Der weltoffene Wahid, „Gus Dur“ genannt, gehört zu jenen Religionspolitikern, die stets vor einer Manipulation und Politisierung des Islam warnen. Als chinesische Geschäfte, christliche Kirchen und Tempel von aufgebrachten Muslimen verbrannt wurden, entschuldigte er sich öffentlich für die Zerstörung. Allerdings hat er auch innerhalb seiner eigenen Organisation keinen leichten Stand. Sie ist vor allem in Java verankert und verkörpert einen mit lokalen Traditionen vermischten Islam.

Viele, vor allem junge und städtische Muslime, folgen lieber dem feurigen Politologen Amien Rais, der der 28 Millionen Mitglieder umfassenden Muhammadiya-Gemeinschaft vorsteht. Rais hat sich kürzlich bereit erklärt, gegen Suharto um das Präsidentenamt zu kandidieren. Allerdings kann ihn die Beratende Versammlung gar nicht nominieren. Mit einem schwerkranken Wahid fehlt jetzt in den explosiven Tagen vor der „Wahl“ eine wichtige Stimme der Mäßigung. Jutta Lietsch