Eine Bombe zum Abschied der EU

Während die Gesandten der europäischen Führungstroika in Algier die Politik der dortigen Staatsführung loben, fliegt in der Hauptstadt ein Linienbus in die Luft  ■ Von Reiner Wandler

Madrid (taz) – Knapp drei Stunden, bevor die Delegation der Troika der Europäischen Union gestern ihren Aufenthalt in Algerien beendete, sorgte eine Bombe erneut für Terror in der Hauptstadt. Der Sprengsatz explodierte in einem Linienbus im Wohnviertel Ben Aknun; dabei wurde ein Mensch getötet und 23 weitere verletzt. Das Fahrzeug sei vollständig zerstört worden, überall seien Blutlachen zu sehen gewesen, berichteten Augenzeugen. Die Gewaltwelle, die seit Auftakt des islamischen Fastenmonats Ramadan am 31. Dezember bereits 1.500 Menschenleben forderte, hat damit einmal mehr Algier erfaßt.

Die Reise der drei Staatssekretäre – des Briten Derek Fatchett, des Luxemburgers Georges Wohfart und der Österreicherin Benita Ferrero-Waldner – war anberaumt worden, um ein gemeinsames Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus abzustimmen. Während ihres knapp 24stündigen Aufenthalts in Begleitung des EU-Mittelmeerkommissars Manuel Marin kamen die Europäer mit Algeriens Außenminister Ahmad Attaf, Premierminister Ahmed Oujahia sowie mit Vertretern der Presse und der legalen Opposition zusammen.

Zufriedenstellen konnte die Mission nur die Regierung. Außenminister Attaf unterbreitete den Europäern einmal mehr seine Forderungen: Die EU müsse im Rahmen einer engeren Zusammenarbeit gegen den Terrorismus die Strukturen der Islamisten in Europa zerschlagen. Was die algerische Führung darunter versteht, verdeutlichte die Tageszeitung L'Autentique. Das regierungsnahe Blatt veröffentlichte am Tag der Ankunft der Troika eine Liste all jener, die nach dem Abbruch der ersten freien Wahlen durch das Militär und dem Verbot der siegreichen Islamischen Heilsfront (FIS) in der EU um Asyl nachgesucht haben.

Humanitäre Hilfe der EU für die Menschen, die vor dem Terror flüchten, lehnte Attaf bereits im Vorfeld der Reise ab. Eine Fahrt in eines der Massakergebiete fand ebensowenig statt wie Treffen mit unabhängigen Menschenrechtsgruppen. Keiner fragte die Regierung, warum die Armee immer wieder viel zu spät eingreift, um die Bevölkerung zu verteidigen. „Ich persönlich bin fest davon überzeugt, daß die Regierung nichts mit den Morden zu tun hat“, erklärte Manuel Marin.

Während die Delegationsmitglieder einstimmig die „fruchtbare Atmosphäre des Besuchs“ lobten, zeigt sich die Opposition enttäuscht. „Der Besuch bestärkt Präsident Liamine Zéroual in der Ablehnung einer politischen Lösung des Konflikts“, erklärte Samir Bouakouir, Sprecher der Front der Sozialistischen Kräfte (FFS). Es sei gerade diese starre Haltung, die das Land immer tiefer in die Krise geführt habe.

„Für ausführliche Einzelgespräche mit den im Parlament vertretenen Oppositionsparteien hat sich die Troika erst gar keine Zeit genommen“, beschwerte sich gestern Bouakouir. Die Vorsitzenden der gemäßigt islamistischen an-Nahda, der trotzkistischen Arbeiterpartei (PT), der republikanischen Versammlung für Kultur und Demokratie (RCD) und der FFS wurden von den Europäern gemeinsam geladen. Für Bouakouir ist dies angesichts der ideologischen Vielfalt der Opposition „ein unmögliches Vorgehen“.