Rückkehr des verlorenen Sohnes

■ Die Geschichte von Bruce Lee, dem das 3001-Kino im Spätprogramm huldigt

Bruce Lee predigte gerne, nicht mit hitzigem Kopf in den Kampf zu ziehen, aber er selbst war immer dann unschlagbar, wenn der Schmerz sein Gesicht in eine schreckliche Fratze verwandelte. Also fast immer, denn Wut und Trauer machten sich alle naslang breit bei dem berühmtesten aller Kung-Fu-Kämpfer, bei dem sich nie so recht zwischen Leben und Spiel unterscheiden ließ. Schließlich gab es stets einen Verlust zu beklagen – mal war sein Meister ermordet worden, mal die Schwester mißbraucht. Und die Philosophie des „fight without fight“, in der die Verteidigung vor dem Angriff steht, wurde auch schon mal schnell revidiert, um sich regelrechten Vernichtungsfeldzügen hinzugeben.

Wie in Big Boss von 1972, der jetzt noch einmal in der Nachtschiene vom 3001 unter dem schönen Verleihtitel Die Todesfaust des Cheng Li gezeigt wird. Eigentlich will sich Bruce Lee mal wieder gar nicht schlagen, aber dann stellt er fest, daß sein amerikanischer Boß eben jene Drogenbande befehligt, die auch seinen Cousin auf dem Gewissen hat. Die Inszenierung seines Hausregisseurs Lo Wei kommt karg daher, dafür erledigt der Heroe hier ein ganzes Dutzend Widersacher auf einen Schlag. Der Film ist bestimmt nicht des Fighters bester, aber äußerst konsequent: Martial Arts, mit der Betonung auf martial!

Wie gesagt, die Feinde in Die Todesfaust des Cheng Li sind Amerikaner – wie so oft bei Bruce Lee. Sein Verhältnis zu Amerika war gespannt, schon weil er selbst in San Francisco zur Welt gekommen war und bis zu seinem Lebensende die amerikanische Staatsbürgerschaft innehatte, Hollywood aber das Talent bis kurz vor seinem Tod 1973 ignoriert hat. Erste schauspielerische Erfahrung sammelte er in den Vierzigern und Fünfzigern in kantonesischen Produktionen, und wer Gelegenheit hat, dieses historische Material zu sichten, kann beobachten, wie der kleine Bruce ein reduziertes, aber äußerst präzises mimisches Repertoire ausformulierte. Die eleganten Bewegungsabläufe übrigens erlernte er als Teenager beim Cha Cha Cha, wo er einige Pokale gewann; die ersten Kampferfahrungen, heißt es, sammelte er auf den Straßen von Hongkong.

Die Sechziger verbrachte Bruce Lee in San Francisco, wo er als Kung-Fu-Lehrer Stars wie Steve McQueen unterrichtete, aber als Schauspieler nur wenig Akzeptanz fand. Weshalb er 1970 nach Asien zurückkehrte und der gerade gegründeten Produktionsfirma Golden Harvest, heute zentrale Kraft der Film- und Finanz-Metropole Hongkong, ihren ersten Kassenschlager bescherte. Wer über den Ruhm von Bruce Lee spricht, muß natürlich auch über seine wirtschaftliche Bedeutung sprechen. Denn der heißblütige Kämpfer und kühle Geschäftsmann machte das Hongkong-Kino über seine Grenzen berühmt. Zwar blühte die Filmindustrie der Stadt schon zuvor, aber internationale Anerkennung erlangte sie erst durch ihn. Er war der verlorene Sohn, der in seine Heimat zurückkehrt, um ihr neues Selbstbewußtsein zu geben. Natürlich sind einige Werke von einem latenten Chauvinismus geprägt, schon weil sich der Kantonese immer aus der Unterdrückung anderer Völker freischlagen muß. So wie in der zentralen Szene von Fists Of Fury von 1972, dem pursten aller seiner Filme, für den er snobistischen Japanern die Knochen bricht, weil die ihn wie einen Hund an die Leine legen wollen.

Daß ausgerechnet sein letztes Werk eine Produktion der ihn einst verschmähenden Amerikaner bildete, ist da eine interessante Fügung: Enter The Dragon, der unter dem ebenfalls schönen Titel Der Mann mit der Todeskralle im 3001 läuft, zeigt Bruce Lee noch einmal in Hochform. Zum Schluß dieses kunstvollen Kampfkunst-Epos' muß er ein ganzes Spiegelkabinett zertrümmern, um dem Feind ins Gesicht sehen zu können. Eine starke letzte Szene. Ein paar Monate später starb der Mann, der keinen Alkohol trank und sich Sex auf der Leinwand verbot, an den Nebenwirkungen einer Kopfschmerz-Tablette. Klar, die Legende lebt weiter.

Christian Buß

Der Mann mit der Todeskralle: Do, 22. bis So, 25. Januar, 22.30

Die Todesfaust des Cheng Li: Mo, 26. bis Mi, 28. Januar, 22.30