Lonesome Cowboy in Schrödertown

■ Erstmals in Deutschland zu sehen: Morris-Original-zeichungen im Wilhelm-Busch-Museum zu Hannover

„Der Wilde Westen ist eine unglaubliche Periode gewesen, die geradezu danach schreit, daß man Comics aus ihr macht,“erklärt der belgische Zeichner Morris beim Interview. Er muß es wissen, denn Morris ist mit einer intelligenten Wild-West-Parodie weltberühmt geworden. Er ist der Schöpfer von Lucky Luke, dem Mann, der schneller schießt als sein Schatten.

„Feuer frei für Lucky Luke“ist der Titel einer Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover, die sich mit dem Wirken des 74jährigen Belgiers beschäfigt, der bürgerlich Maurice de Bévère heißt. Eine Premiere: Zum allerersten Mal überhaupt hat der Comiczeichner trotz seiner Angst vor Diebstählen Originale für eine Ausstellung außerhalb seiner Heimat Belgien zur Verfügung gestellt.

Jedes der etwa sechzig ausgestellten Bilder und Panels ist ein kleines Kunstwerk. Die Alligatoren aus „Mississippi“etwa, die beim näheren Hinsehen nicht bloß aus Grün, sondern aus feinen Bleistiftstrichen und dicken Schichten Deckweiß bestehen und viermal so groß wie im Comicheft von der Wand grinsen. Jeder Strich, jede Korrektur ist zu sehen. Die Ausstellung macht deutlich, wieviel hartes Handwerk in den lustigen Bildchen steckt. „Ich zeichne auch beruflich, aber den lockeren Strich kann ich nur bewundern. Das ist Kunst“, sagt eine Besucherin.

Stolze 278 Millionen Mal haben sich die Comicalben mit dem spindeldürren Zeichentrick-Cowboy, seinem Pferd Jolly Jumper, das sogar Karten spielen kann, dem dämlichen Gefängnishund Rantanplan und den berühmtesten Banditen-Brüdern der Welt, den Daltons, verkauft. Aber nicht, weil die Geschichten besonders spannend wären. Es ist klar, daß Lucky Luke irgendwem gegen Ende der Geschichte den Revolver aus der Hand schießt und dann, immer die gleiche Schnulze singend, gen Horizont reitet.

Der Weg bis hin zu diesen immer gleichen Schlußszenen aber ist immer ein anderer. Doch egal, ob Lucky Luke für die 20. Kavallerie reitet oder den Goldrausch miterlebt – immer sind die Szenarien detailgetreu und liebevoll herausgearbeitet. Im Wilhelm-Busch-Museum erfährt man, wie das funktioniert: Oft riß Morris Zigarettenwerbung aus Zeitschriften, um Posen oder Hintergründe zu kopieren. Wichtiger noch: Die Vorliebe für den Wilden Westen teilt Morris seit den 50er Jahren mit vielen Filmemachern. Der Verdienst der vor zwei Jahren in Brüssel konzipierten Ausstellung ist, auch diesen Bezug deutlich zumachen. Die Komik der Zeichungen ist eng mit der Geschichte des Western-Films verschlungen. Kino-Plakate und Film-Fotos hängen neben Morris' Original-Zeichnungen, so daß klar wird, wie genau er Szenen, Posen, ja ganze Kameraeinstellungen aus Film-Klassikern wie „High Noon“oder „Santa Fe“adaptiert.

Western-Helden wie Gary Cooper und Charles Bronson, aber auch Show-Größen wie Groucho Marx, Louis de Funés oder Serge Gainsbourgh tauchen bei den Lucky Luke-Abenteuern regelmäßig als kleine Gangster in Nebenrollen auf. Sogar Alfred Hitchcock wird als Barkeeper wiederbelebt. Der Richter, der neben dem Gesetzbuch den Revolver liegen hat, der Cowboy, der nach der Keilerei in der Pferdetränke landet, die Feile im Kuchen, wenn die Daltons im Gefängnis brummen – das kennt und liebt man aus Filmen. Während aber der bierernste Western so gut wie tot ist, bleibt Lucky Luke noch immer lustig.

Schließlich erbringt die Ausstellung sogar den Nachweis, daß der Titelheld nicht nur ein verdammter Langweiler ist, weil er nie was falsch macht und immer springt, wenn Vater Staat ruft, sobald die Daltons ausgebrochen sind oder die Eisenbahn durch Indianergebiet gebaut werden muß. Lucky Luke ist sogar langweilig gezeichnet. Die Folge: an Lucky-Luke-Originalen ist kaum rumradiert. Der öde Supercowboy wird nach Schema F gezeichnet und veränderte sich in den letzten 45 Jahren kein bißchen. Die Originale mit den Daltons dagegen sind voller Korrekturen – es scheint, als hätte Morris noch heute Spaß, sie zu zeichnen. „Natürlich“, sagt er. „Schließlich sind sie dumm und bösartig. Und damit zum Zeichnen perfekt.“

Lars Reppsgaard

„Feuer frei für Lucky Luke“bis zum 22.3.98 im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover. Di-Sa 10 – 17 Uhr, So 10 – 18 Uhr . Paralell dazu ein weiterer Leckerbissen im Obergeschoß des Museums: die Sonderausstellung „Kombiniere, Nick Knatterton“mit Originalen von Manfred Schmidt.