Pacos Eisenbahnen

■ Berliner Zimmer, Teil 6. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Paco:

Paco ist mein richtiger Künstlername, ich bin eigentlich Musiker von Beruf, Musiker, Tänzer und Schauspieler. Ich stell' mich aber mit „Paco“ auch privat vor, also es ist kein Pseudonym in dem Sinne.

Als Kind hatten wir schon eine kleine Eisenbahn, ich hab' drei ältere Geschwister, die hatten auch schon jeder was. Mein Vater war da tolerant gewesen. Aber irgendwann hat das alles nicht mehr funktioniert, und da habe ich die Lust verloren. Mitte 30 war ich, da habe ich wieder Lust gekriegt. Mein Vater hatte hier im Haus ein Geschäft, im Keller, da war viel Platz.

Da war die Eisenbahn richtig aufgebaut. Zwar keine richtige Landschaft, nur so angedeutet. Und ich hatte als Schüler ab und zu von Klassenkameraden so gebrauchte Lokomotiven gekauft. Mein Vater war Uhrmachermeister, ich hab' da handwerklich einiges mitgekriegt.

Und wie mein Vater das Geschäft aufgehört hat, mußte die Anlage abgebaut werden. Dann wurde alles erst mal eingepackt. Ich hab' damals in Westdeutschland gelebt und hab' das Material mitgenommen, die Züge, die Loks, das war nicht soviel, ein Koffer voll. Da habe ich festgestellt: Ah, ich habe Lust. Und da ging die Sammlerei los.

Das hier an der Wand ist eine Probeanlage. Die kann ich herunterklappen und testen, ob die Sachen funktionieren. Das ist nicht spielerisch, sondern mehr so eine technische Probeanlage. Da sind alle Arten von Kurven, alle Arten von Weichen, alle Arten von Gegenkurven auch, so daß du 'ne S-Kurve hast. 'ne Freundin von mir soll hier auf die Rückseite ein schönes Bild ranmalen.

Die Badischen hatten blaue Lokomotiven, zum Teil graue Lokomotiven. Die Württemberger hatten blau-graue Lokomotiven, die Bayern hatten grüne Lokomotiven, die Preußen hatten zum Teil olivgrüne mit schwarzen Rändern. Schwarz kam eigentlich erst in Epoche zwei, weil sie festgestellt hatten, daß Lokomotiven durch den Rauch verdrecken, da haben sie sie von vornherein schwarz gestrichen. Und die Fahrgestelle unten rot, aus dem einfachen Grunde, weil man bei Rot Materialrisse besser erkennen kann.

Wo mir am meisten zu einfällt? Mir fällt zu allen irgendwie was ein. Ich kann sagen, was so mit 'ne schöne Lokomotive ist. Das ist hier die bayerische, die blaue. Die bayerischen Lokomotiven waren eigentlich dunkelgrün. Das ist 'ne bayerische, die hatten ein dunkles Grün, so olivfarben. Ganz genau weiß man das heute auch nicht, weil es keine Farbfotos gibt. Die ist blau gestrichen worden und kam auf eine Ausstellung nach Schwerin oder Rostock. Und da hat man die extra blau gestrichen, damit die da besser auffällt. Und ist schon 'n schönes Teil. Das war seinerzeit die stärkste Tenderlokomotive in ganz Europa. Die hat zwei Treibgruppen, eine Vierzylinder-Verbundlokomotive.

Alles Spurbreite, alles H0. Angefangen habe ich mit Märklin zu sammeln. Dann hatte ich den Ehrgeiz, daß ich von Märklin von jeder Baureihe, so nennt man das, eine Lokomotive sammeln wollte. Das habe ich auch geschafft. Dann hat mir das nicht gereicht vom Umfang, da bin ich auf die anderen Fabrikate ausgewichen, wenn die auch das Märklin-System hatten. Es gibt dieses Märklin-System: Mittelleiter, Wechselstrom. Das andere ist Zweileiter, Gleichstrom. Die anderen Firmen haben fürs Märklin-System auch einzelne Lokomotiven produziert, da habe ich die angefangen zu sammeln.

Dann habe ich festgestellt, daß man auch Gleichstromlokomotiven umbauen kann. Irgendwann hatte ich dann einfach den Drang, nicht nur von Märklin, sondern insgesamt von jeder Baureihe eine Lokomotive zu haben. Allerdings: Ich sammel' nur, was in Deutschland registriert, in Deutschland gelaufen ist. Also das normale deutsche Staatsgebiet, nicht Österreich, nur das deutsche Kernland. Wenn du alles sammeln würdest, wirst du verrückt. Nur von Massenherstellern, es gibt auch sogenannte Kleinserienhersteller, wo 'ne Lok dann 1.500 Mark kostet. Nachdem ich damit auch voll war mit allen Baureihen, da hab' ich angefangen, auch die unterschiedlichen Ausführungsvarianten zu sammeln.

Die Sammlung ist hier in diesen Vitrinen, dann noch in einer Vitrine so groß wie ein Kühlschrank und auf einem Hängeboden. Das waren frühere Ladenvitrinen aus dem Geschäft meines Vaters. Die waren tiefer, und ich habe die schmaler gemacht. Meinen Vater hat das gefreut, daß ich da doch was recycelt habe.

Bei mir ist es durch meine Kindheit bedingt. Jedes Kind will ja spielen, und ich bin Jahrgang 50, da war Eisenbahn spielen das Normale. Aber mein Vater wollte, daß ich entweder Uhrmacher oder Musiker werde. Ich habe halt sehr viel üben müssen. Musik hat ihm immer viel Spaß gemacht, er kam aber nicht so richtig dazu. Und was die Eltern wollten und nicht konnten, das müssen dann die Kinder unbedingt machen, doppelt oder dreifach. Er hatte ein Uhrengeschäft, und ich war der Jüngste, und er hatte gedacht, daß ich das übernehme. Ich bin zum Spielen relativ wenig gekommen, ich mußte Klavier, Geige und Blockflöte lernen als Kind. Dann mußte ich hier in Berlin noch auf so 'ne Eliteschule gehen, die mir auch viel Streß bereitet hat. Aber wenn man mal drauf war, hat man auch versucht, das durchzuhalten, was ich auch geschafft habe.

Jeder erwachsene Mensch sollte sich irgend etwas aus der Kindheit in seine Erwachsenenwelt rüberretten. Ich glaube, daß das ein Ausgleich ist, daß einen das jung hält, nicht kindisch hält, sondern jung hält. Wogegen ich was habe, sind diese Modellbahnsammler, die da mit so einer totalen Ernsthaftigkeit rangehen.

Ich gehe da spielerisch ran. Es gibt ja Modellbahnsammler, die dann Artikel schreiben, in denen sie sich darüber aufregen, daß an dem Waggon die Lüfter falsch sind. Ich gehe sehr kritisch um mit solchen Leute, weil ich den Eindruck habe, die verlegen ihr Erwachsenendasein in ihr Spiel rein. Und wer weiß, wie die als Erwachsene sonst sind, vielleicht spielen die sonst mit Menschen. Ich sag' immer: Mit Menschen darf man nicht spielen, aber mit Spielzeug, denn dafür ist Spielzeug da.