Plastikgabeln tun's auch

■ Fistfuck The System: „Bloodsisters“ und „Airport“ auf dem Dykescreen des Xenon-Kinos, und zwar – Achtung – nur für Frauen!

Öffentliche Auspeitschungen von Masochisten kannte ich bislang nur vom Roskilde-Festival in Dänemark. Dort wurden schon vor Jahren kunstvoll geknüpfte Lederstricke von harmlos lächelnden jungen Mädchen verkauft und praktisch vorgeführt. Besonders cool oder verwerflich anziehend wirkten diese öffentlich inszenierten Schaukämpfe nicht. Eher erinnerten sie an Verkaufsvorführungen von tabulosen Staubsaugervertretern bei Hertie, die einem die Angst vor richtig schlimm versifften Teppichböden nehmen wollten.

Ohne Tabus kein Spaß. Wenn die Tabus aber so übermächtig sind, wie sie es scheinbar in großen Teilen der prüden US-Gesellschaft noch immer sind, dann heißt es, sich den Spaß mühsam zu erkämpfen. Oder, wie es eine der amerikanischen S/M-Lesben in der Dokumentation „Bloodsisters“ etwas drastischer ausdrückt: Fistfuck The System. Für Amateur-Quälgeister aber beruhigend: Es müssen nicht immer echte Stahlnadeln schmerzhaft in Pobacken und Brüste gepiekt werden, um Lust gewinnend zu steigern. Manchmal tun's auch ein paar Wäscheklammern. Bei der Sklavenauktion, dem blutschwesterlichen „Marsch auf Washington DC 1993“, reichen sogar Plastikgabeln fürs systemuntergrabende Tun.

Doku-Macherin Michelle Handelman reiht Interviews mit diversen Blutsschwestern aneinander, die von ihrem ganz persönlichen S/M-Coming-out berichten. Ernsthaft werden Fragen wie „How far will I go?“, Mißbrauch oder Nazi- Spiele diskutiert. Eine Frau erzählt erschüttert, wie ihr „Opfer“ ihr anbot, sich von ihr töten zu lassen. In der Konsequenz geht es um das eigentlich ganz simple, aber immer noch hochpolitische Statement: „We do exist!“

Als visuelle Unterbrechung der Interviews knallt – irgendwie an die brennende Landkarte der Western-Serie Bonanza erinnernd – plötzlich eine Peitsche, und als hübscher Effekt wird ein S/M- Bildchen in der Mitte zerteilt und gibt den Blick frei auf grob gekörnte, kunstvoll verschnürte Körperteile in Nahaufnahme. Nett selbstironisch inszeniert ist ein Interview, bei dem man den Ablauf der Zeit an der zunehmenden Fesselung eines am Bildrand werkelnden Pärchens ablesen kann.

Als Vorfilm gibt's übrigens einen Lesben-Porno von Ex-Radio-100- Frau Manuela Kay, über den ich lieber nichts sagen möchte. Andreas Becker

Bloodsisters, USA 1995, 85 min, OF, Regie Michelle Handelman, Airport, Berlin 1994, 30 min, von Manuela Kay und Silke Dunkhorst. Vom 22. bis 28.1. bei Dykescreen im Xenon-Kino und am 2.2. bei G-Spot im Acud. Zutritt nur für Frauen!