Nie mehr unbefristete UN-Sanktionen

Die fehlende Wirkung des Embargos auf Saddam Hussein sorgt in der UNO für Grübeln  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – So verfahren und ausweglos die aktuelle Debatte um die Fortsetzung, Lockerung oder gar völlige Aufhebung der Sanktionen gegen Irak ist, für künftige Zwangsmaßnahmen der UNO hat der Fall Irak zumindest eine Klarheit geschaffen: „Der UN-Sicherheitsrat wird nie mehr zeitlich unbegrenzte Sanktionen gegen ein Land beschließen, die sich nur durch erneuten Mehrheitsbeschluß des Rates sowie mit Zustimmung oder zumindest Enthaltung der fünf Vetomächte lockern oder ganz aufheben lassen.“ Diese „feste Überzeugung“ äußerte Deutschlands UN-Botschafter Tonio Eitel in der vergangenen Woche in Bonn bei einer Tagung „Sanktionen für den Frieden?“

Eitels Überzeugung wird von Diplomaten anderer Länder ebenso geteilt wie von MitarbeiterInnen der UN-Sanktionsabteilung. Weniger Konsens herrscht allerdings über die Alternative. Für den deutschen Botschafter heißt sie: von vornherein zeitlich begrenzte Sanktionsbeschlüsse mit klar definierten Zielen, deren wiederum zeitlich begrenzte Verlängerung erneut einer Mehrheit im Sicherheitsrat sowie der Zustimmung oder zumindest Enthaltung der fünf Vetomächte bedarf. Eitel, der während der letzten Mitgliedschaft und zeitweisen Präsidentschaft Deutschlands im Sicherheitsrat in den Jahren 1995 und 1996 Erfahrungen im Sanktionsausschuß des Rates sammelte, benannte auch einen triftigen Grund für das Interesse der Bundesregierung an einem ständigen Sitz Deutschlands im höchsten UNO- Gremium: Nur wer im Rat dabeisei, könne auch mitreden, wenn – wie aktuell im Zusammenhang mit den Ölexportgenehmigungen für Irak – über lukrative Geschäfte für ausländische Firmen entschieden wird. Immerhin geht es im Fall Irak seit Dezember 1996 um Ölexporte im Wert von zwei Milliarden US- Dollar pro Halbjahr. Der Sicherheitsrat wird diese Summe demnächst wohl auf drei Milliarden aufstocken. Bislang teilen sich französische, russische, US-amerikanische und britische Firmen weitgehend das Geschäft.

Diskussionsgrundlage der Tagung in Bonn war eine im Auftrag der Stiftung „Frieden und Entwicklung“ erstellte Studie. Sie untersucht Ziele, Funktionsweise und Wirkung der zwölf Sanktionsbeschlüsse, die der Sicherheitsrat seit 1945 gefällt hat: zwei bis zum Ende des Ost-West-Konflikts im Jahre 1990 (Rhodesien, Südafrika) und zehn seitdem (Irak, alle Nachfolgestaaten Jugoslawiens, Serbien/Montenegro, Somalia, Libyen, Liberia, Haiti, Unita in Agola, Ruanda, Sudan). Bis auf die Maßnahmen zum ehemaligen Jugoslawien richteten sich alle Sanktionsbeschlüsse gegen Staaten des Südens. In allen Fällen verfügte die UNO über keine oder nur sehr unzureichende Mittel, die Wirkungsweise zu beobachten, um dann auf einer gesicherten Basis auch über Aufhebung, Lockerung oder Fortsetzung, Verschärfung oder gar den Einsatz militärischer Mittel entscheiden zu können. Besonders folgenschwer wirkte sich dieses Defizit 1990/91 im Fall der Irak- Sanktionen aus, wie Jürgen Dedring, ehemaliger Mitarbeiter der UNO-Sanktionsabteilung in Bonn, bestätigte. Ende Dezember 1990 legte die CIA US-Präsident George Bush eine Analyse vor, wonach die am 6. August 1990 verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Irak (Resolution 661) innerhalb von knapp fünf Monaten bereits zum Rückgang von 97 Prozent der Importe, 90 Prozent der Exporte und 45 Prozent des Bruttosozialprodukts des Landes geführt hatten. Damit handelte es sich um die mit Abstand erfolgreichste aller rund 130 Sanktionsmaßnahmen, die in diesem Jahrhundert von der UNO, dem Völkerbund oder einzelnen Staaten gegen Staaten oder bestimmte Bevölkerungsgruppen verhängt wurden. Die CIA empfahl Bush damals die konsequente Fortsetzung der Sanktionen und prophezeite, daß Bagdad nach spätestens weiteren sechs Monaten seine Besatzungstruppen in Kuwait nicht mehr versorgen könne und diese abziehen müsse. Damit wäre das Ziel der Sanktionsresolution 661 erfüllt gewesen. Die Auflage zur Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen und ballistischen Raketen wurde dem Irak erst in der Waffenstillstandsresolution 687 vom 1. März 1991 gemacht. Doch Präsident Bush hielt die CIA-Analyse geheim und sorgte mit der Behauptung, die UNO-Sanktionen seien gescheitert, für die Zustimmung des US-Kongresses und der Verbündeten zum Krieg.