Erpressung von Elf in Leuna?

■ „Stern“: Treuhand und Bundeskanzler drohten mit Denunzierung des französischen Konzerns bei Börsenaufsicht in New York

Hamburg (AFP) – Die Berliner Treuhandanstalt hat einem Bericht des Magazins Stern zufolge 1994 den französischen Erdölkonzern Elf-Aquitaine mit massivem Druck am Ausstieg aus dem Raffinerieprojekt im ostdeutschen Leuna gehindert. Wie das Blatt am Mittwoch vorab berichtete, drohte die Treuhand, Elf im Falle eines Ausstiegs bei der New Yorker Börsenaufsicht zu denunzieren. Nach Ansicht der Treuhand hatte Elf im Börsenprospekt für die Notierung seiner Aktien an der New Yorker Börse erhebliche Risiken aus dem Leuna-Prospekt verschwiegen. Dafür drohten bei den strengen Börsengesetzen der USA drakonische Strafen. Der Stern schrieb in diesem Zusammenhang von „Erpressung unter Freunden“.

Wie der Stern unter Berufung auf Verhandlungsprotokolle weiter meldete, setzte der für Leuna zuständige damalige Treuhand- Vorstand und heutige Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Klaus Schucht (SPD), die Elf-Manager bei einem Treffen am 9. Februar 1994 in Berlin unter Druck. Bei der Zusammenkunft, an der auch Treuhandchefin Birgit Breuel teilnahm, habe Schucht darauf hingewiesen, daß der Börsenprospekt mit Blick auf das Engagement in Leuna „sehr problematisch“ sei. Falls die Treuhand diese Beurteilung gegenüber den New Yorker Behörden richtigstelle, dürfte sich Elf „Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe gegenübersehen“.

Der französische Konzern habe zuvor gedroht, sich aus dem 4,8 Milliarden Mark teuren Projekt zurückzuziehen, falls die Treuhand nicht einen Teil der Leuna-Anteile zurücknehme.

Laut Stern griff auch Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) massiv in den Streit zwischen Treuhand und Elf ein. In einem Brief habe Kohl den damaligen französischen Ministerpräsidenten Edouard Balladur gebeten, seinen „persönlichen Einfluß“ geltend zu machen, damit der Bau der Raffinerie noch zustande kommt. Ansonsten drohten dem französischen Konzern „gravierende rechtliche Konsequenzen“. In einem vertraulichen Entwurf für den Kanzlerbrief habe Breuel unter anderem vorgeschlagen, Balladur über mögliche Schadenersatzforderungen von 1,8 Milliarden Mark zu informieren.

Die Vereinbarungen über die Beteiligung des Elf-Konzerns an der von Kohl persönlich unterstützten Neubelebung des Chemiestandortes Leuna hatten in der Vergangenheit mehrfach für Streit und Schlagzeilen gesorgt. Französische Medien hatten im Zusammenhang mit der Leuna-Privatisierung von Schmiergeldzahlungen an die CDU berichtet. Dies war in der Vergangenheit von allen Beteiligten wie auch von der französischen Justiz dementiert worden.