Havel schafft's nur knapp

■ Erst im zweiten Anlauf hat Tschechiens Parlament den Präsidenten wiedergewählt

Prag (AFP) – Das Parlament der Tschechischen Republik hat Staatspräsident Václav Havel einen Denkzettel verpaßt: Der 61jährige frühere Dissident wurde am Dienstag abend überraschend erst im zweiten Durchgang und mit knapper Mehrheit wiedergewählt. Nach einer Marathonsitzung stimmten im zweiten Wahlgang 99 der 197 Unterhaus-Abgeordneten und 47 der 81 Senatoren für Havel. Er steht künftig zum zweiten und letzten Mal für fünf Jahre an der Spitze des Landes. Gegen Havel stimmten Beobachtern zufolge vor allem Anhänger des im November zurückgetretenen Regierungschefs Václav Klaus, den der Präsident scharf kritisiert hatte.

Heute will der gesundheitlich angeschlagene Havel bei einem neuen Treffen mit Vertretern der verschiedenen Parteien nach Wegen aus der Krise suchen. Für Juni sind in Tschechien vorgezogene Neuwahlen geplant.

Die Vereidigung Havels ist für den 2. Februar vorgesehen. Zum ersten Mal war er 1993 tschechischer Präsident geworden, nachdem er zuvor bereits als Staatsoberhaupt der Ende 1992 aufgelösten Tschechoslowakei amtiert hatte.

Heute will Havel, der eine bürgernahe „neue Politik“ ohne Korruption und dubiose Parteienfinanzierung propagiert, im Gespräch mit Parlamentariern nach Wegen zur Stabilisierung der Lage und der Interimsregierung suchen. An dem Treffen soll auch der Vorsitzende der neugegründeten ODS-Abspaltung Union der Freiheit (US), der Ex-Dissident Jan Ruml, teilnehmen. Der 44jährige ist wie Havel aus dem antikommunistischen Lager hervorgegangen. Die US hält vier Ministerposten im Kabinett Tošovsky, das sich am kommenden Dienstag einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen muß.