Bundesrichter stoppen Ostsee-Autobahn

■ Bundesverwaltungsgericht untersagt mit einer einstweiligen Anordnung den Weiterbau der A20 in der Nähe von Lübeck. Begründung: Land und Bund haben bei der Bauplanung zwei Naturschutzrichtlinien der EU verletzt

Berlin (taz) – Das Bundesverwaltungsgericht hat den Bau der Ostsee-Autobahn A20 bei Lübeck einstweilen gestoppt. Zur Begründung erklärten die Berliner Richter gestern, das Land Schleswig-Holstein habe zwei EU-Richtlinien zum Naturschutz nicht ausreichend beachtet. Es folgte dem Antrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Vorhaben vorerst auszusetzen, damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. Über die eigentliche Klage von Naturschützern und Grundbesitzern soll am 7. Mai verhandelt werden.

Die Ostsee-Autobahn, eines der 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, soll von Lübeck in Richtung Osten an der Küste entlang bis Rostock und weiter bis zur polnischen Grenze führen. In Mecklenburg-Vorpommern ist ein erster Streckenabschnitt schon eingeweiht. In Schleswig- Holstein wurde dagegen noch nichts gebaut. Der zentrale Streitpunkt hier ist die Frage, wo die Asphaltpiste bei Lübeck entlanggeführt werden soll. Das Bundesverkehrsministerium hat 1995 die Südlinie bestimmt. Doch dadurch würde ein Feuchtbiotopenstreifen in der Wakenitz- Niederung zerschnitten. Die EU will dieses Gebiet möglicherweise in die Schutzkategorie Natura 2000 aufnehmen.

Die Landesregierung in Kiel hatte diese Schutzwürdigkeit bestritten und im April einen Planfeststellungsbeschluß für ein vier Kilometer langes Anschlußstück an die A1 beschlossen. Dieser Abschnitt würde zwar die Niederung nicht unmittelbar berühren. Aber es wäre eine Vorentscheidung, die die Richter nicht ohne neue Prüfung durchgehen lassen wollten.

Die Richter stellten nun fest, daß die Wakenitz-Niederung als Schutzgebiet „ernsthaft in Betracht“ komme. Zwar stehe deutsches Recht der Trasse nicht entgegen, Klagen gegen die Autobahn könnten aber erfolgreich sein, wenn Schleswig-Holstein gegen die beiden Europa-Richtlinen verstoßen habe.

Überrascht von der Entscheidung zeigte sich der Kieler Verkehrsminister Peer Steinbrück. Das Land habe die Frage des europäischen Umweltrechtes bei der Planung berücksichtigt. Der BUND bezeichnete das Urteil dagegen als „Etappe für den Naturschutz, aber auch für Europa“. Die Landesregierung habe sich einfach über EU-Richtlinien hinweggesetzt. Annette Jensen