■ Vorschlag
: Labyrinthisch: David Rühms Film „Die Flucht“ in der Brotfabrik

Zwei Gangster, die aus dem Knast ausbrechen – abgegessener als diese kann wohl keine Story mehr sein. Es kommt also darauf an, wie ausgebrochen wird oder was passiert, wenn die Freiheit winkt. In David Rühms Film „Die Flucht“, seinem ersten Film, ist nicht klar, ob die zwei Ganoven wirklich ausbüxen oder nicht. Ritzo wird, wie jeden Morgen, im Knast wach und wundert sich: Wollten sie nicht längst schon über alle Berge sein? Aber Zellenkumpel Tibor erinnert ihn, daß sie den Ausbruch erst noch planen. Später dann, in vermeintlicher Freiheit, sitzen sie in einer anderen Zelle. Wieder wird Ritzo wach und erzählt, er habe von daheim, vom guten alten Knast geträumt. Eigentlich dachte er ja, daß er und Tibor doch wieder irgendwie ausbrechen wollten.

Die Zelle in der Freiheit befindet sich in einem heruntergekommenen Hotel ohne Gäste, nur mit dubiosem Personal, irgendwo tief im österreichischen Wald. Die beiden Ausbrecher warten auf ihren Boss, der sie abholen will. Doch als der vorfährt, fällt er angeschossen aus seinem Auto und stirbt. Das Hotel sei ein perfektes Versteck, erfahren sie von der Wirtin – in ihm werde man nicht nur nicht gefunden, man finde auch nicht mehr hinaus. Deshalb, glaubt Tibor, müsse er wohl tot sein. Im wirklichen Leben könne das schließlich nicht sein. Es ist wie in der Hölle: die hat auch keinen Ausgang.

Die beiden Kleinganoven versuchen es wenigstens, sie laufen einfach los. Doch weil sich seit „Down by law“ jeder große dunkle Wald als unentrinnbares Labyrinth für billige Gangster erweist, laufen die zwei Pechvögel im Kreis und landen schließlich wieder im Hotel- Knast. Wiederholt machen sie sich dort an das Dienstmädchen Rosa heran, werden von der Wirtin gepiesackt und nerven sich gegenseitig. Tibor denkt nur ans Abhauen und kriegt dafür von der Wirtin eins mit der Pfanne übergezogen. Ritzo hat nur Sex im Kopf und träumt von einem Restaurant mit japanischen Mädchen, doch Tibor will davon nichts hören – schon gar nicht beim Frühstück.

Mit seinem skurrilen Schwarzweiß-Streifen steht Regisseur Rühm in der Tradition der Slapstick-Stummfilme, stellenweise erinnert seine „Flucht“ auch an Polanskis „Cul-de-Sac“. Nur kommen Rühms Gangster verflixt noch mal nicht richtig frei. Ob im Knast oder in der vermeintlichen Freiheit: Überall der ödipale Nebeneffekt des Lebens, sich schuldlos schuldig in Sackgassen zu verrennen. Ganz und gar nicht abgegessen, wenn man eigentlich nur ausbrechen will. Hans-Christoph Stephan

22.–28.1., Brotfabrik, 21 Uhr, Prenzlauer Promenade 3, Weißensee