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„Der gefährlichste Zug, der je fuhr“

In Bayern werden neue Groß-Castoren vom Typ V/52 zum Transport nach Ahaus vorbereitet – trotz mangelnder Tests. Die Atomversender hoffen auf den „Effekt der Gewöhnung“  ■ Aus Gundremmingen Klaus Wittmann

Ein geheimnisvolles Rangieren mit neuen Castor-Atombehältern wollen Atomkraftgegner dieser Tage am größten deutschen Atomkraftwerk (AKW), in Gundremmingen, beobachtet haben. Sie fürchten nun, daß die angekündigten Groß- und Sammeltransporte von Atommüll ins Zwischenlager Ahaus unmittelbar bevorstehen. Und tatsächlich bestätigt ein Sprecher dort, daß „die neuen Großbehälter vom Typ Castor V/52 derzeit bei uns die Kalthandhabung durchlaufen“.

Was technisch betrachtet recht nüchtern klingt, dürfte zum wohl bislang größten Atomtransport durch die Republik führen. Noch nie sind bislang solche Groß-Castoren für Siedewasserbrennelemente gebaut und benutzt worden. Statt bislang 16 Brennelemente fassen die neuen V/52er, wie es die Typenbezeichnung schon sagt, 52 abgebrannte Brennelemente. Schon seit vergangenem Freitag, so der Gundremminger Hauptabteilungsleiter Überwachung, Reinhard Seepolt, sei der erste der drei fertigen Groß-Castoren im Test. Dichtungen würden geprüft, das Kippen, Trocknen, Heben, Umsetzen und ähnliches. Sobald von der Genehmigungsbehörde, dem bayerischen Umweltministerium, das Okay da sei, werde mit dem Beladen der drei Castoren begonnen. Im Konvoi sollen die dann nach Ahaus gebracht werden, sagt Seepolt. Und zwar noch „in diesem Frühjahr, einen genauen Termin kann ich Ihnen nicht sagen“.

Allein Gundremmingen hat zehn dieser Castoren geordert. Schließlich fallen in den beiden Reaktorblöcken jährlich so viele abgebrannte Brennelemente an, daß sechs solcher Behälter auf die Reise quer durch Deutschland geschickt werden müssen. Man hoffe, daß der erste Transport baldmöglichst erfolgen könne. „Wir erwarten Proteste in einem gewissen Umfang. Aber wir erwarten auch einen gewissen Effekt der Gewöhnung“, meint Seepolt.

„Das ist doch eine irrsinnige Provokation der Anti-AKW-Bewegung“, wettert Volker Nick von der Mahnwache Gundremmingen. In Ahaus seien vier Protestcamps vorgesehen, und auch die Mahnwache werde nicht tatenlos zusehen. Nick vermutet, daß auch die drei beladenen Castor-Behälter des Atomkraftwerks Neckarwestheim gleich mit angehängt werden sollen. „Dann bewegt sich in Kürze der gefährlichste Zug auf unseren Schienen, der je durch Deutschland fuhr.“ Wenn mehr als dreimal so viele abgebrannte Brennelemente in einen Behälter passen, dann würde auch die freigesetzte Strahlenmenge im Falle eines Unfalls dreimal so hoch sein.

Auf massive Kritik sind die neuen Castor-Behälter schon beim Bekanntwerden der Planung im Frühsommer letzten Jahres gestoßen. So bemängelten der Hannoveraner Diplomphysiker Wolfgang Neumann (Gruppe Ökologie, Institut für ökologische Forschung und Bildung e.V.) und der Gießener Castor-Experte und Verfahrenstechniker Professor Elmar Schlich die völlig unzureichenden Tests mit diesen Atombehältern. „Meines Wissens hat es mit dem Castor V bisher keinen einzigen Versuch gegeben“, sagte Professor Schlich. Doch das für die Genehmigung zuständige Bundesamt für Materialprüfung und -forschung (BAM) in Berlin hatte lediglich auf allgemeine Bestimmungen der Internationalen Atomenergie Agentur (IAEA) verwiesen und die reinen Rechentests im Computer als ausreichend bezeichnet.

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