Variable Lebens(t)räume

■ Wohnkonzept als Lebensphilosophie: Ein Galeristen- und Architektenpaar setzt auf multifunktionale Räume

Der Sessel aus Spanholz läßt – sobald die 50-Kilo-Körpergewichtsgrenze überschritten ist – akute Einbruchsgefahr vermuten. Doch unter der hölzernen Sitzfläche birgt das kantige Möbelstück einen Gymnastikball, und das Polster aus einer geballten Menge Luft verleiht der dünnen Holzschale die nötige Stabilität.

Sibylle Hahner und Martin Josephy zeigen in ihrer Galerie am Pilatuspool 17 Wohnideen, die wenig „Bodenständigkeit“beweisen: Ein Anlehnregal, ebenfalls aus leichter Spanplatte, eine freistehende Lichtleiste und der Paravent, der als Raumtrenner in alle Richtungen biegbar ist, sollen das Wohnen vom Statischen befreien.

Das Wohnkonzept entspricht der Lebensphilosophie des Schweizer Galeristen- und Architektenpaars. Sie haben den Bruch mit den traditionellen Wohn- und Arbeitsformen auch in ihren eigenen Wänden vollzogen. Während die beiden Wahlhamburger in ihrer Galerie zur Straße hin im monatlichen Wechsel Möbel junger Designer ausstellen, geht es in den hinteren Räumen weiter: rechts zum Schlaf- und Eßtrakt, links zum Arbeitsraum, der Planungsbüro und Grafikstudio zugleich ist. Diese Verknüpfung bietet den Lebensgefährten die Möglichkeit, unterschiedliche Berufe miteinander zu verbinden, ohne viel zu investieren.

„Wir wehren uns gegen festgeschriebene Berufsbilder und die strenge Trennung von Disziplinen“, erklärt die 32jährige Sibylle Hahner. Sie hat mehrere Jahre in einem Architekturbüro gearbeitet, Martin Josephy (29) hat als Grafiker gejobbt – richtig kreativ werden konnten dabei jedoch beide kaum. Vor einem halben Jahr haben sie sich mit ihrer Wohnung sowie einer Gewerbeanmeldung gleich zwei Lebensträume erfüllt: Sie sind Galeristen und haben ein eigenes Planungsbüro für Architektur.

„Unsere Ausstellungen dienen den Künstlern, aber auch uns selbst. Wer die Objekte in unserer Galerie betrachtet, gewinnt eine Vorstellung, welche Raumgestaltung – innen als auch außen – wir anstreben. Das ist unsere Art, wie wir Interessenten gewinnen möchten“, erklärt Martin Josephy. „Wir suchen nach kleineren Projekten, die wir zu zweit verwirklichen können: ein neues Lokal einrichten, Sonderanfertigungen für Möbel machen oder einen Blumenladen entwerfen.“

Die großen Aufträge sind bislang noch nicht einegegangen, das fehlende Geld verdienen sich die beiden als Grafiker dazu. Von ihrem Wohn- und Arbeitsmodell sind sie dennoch überzeugt: „Nur wer etwas wagt, kann an festgefahrenen Strukturen etwas ändern und seine eigenen Ideen voranbringen.“

Ilonka Boltze