Diagonal Beten in Bremens Moschee

■ In zwei Monaten will Norddeutschlands größtes islamisches Gotteshaus öffnen. Schon sieht man farbenprächtige Kalligraphien. an den Wänden, doch auch Dartboard und Billardtisch sollen nicht fehlen.

Noch sichert ein hölzerner Zaun das Gelände an der Gröpelinger Stapelfeldstraße. Bauschutt und Gerüstelemente liegen herum, daneben massive Stahl- und Eisenträger. Von außen wirkt die riesige, hell verklinkerte Moschee wie ein unnahbarer Koloß. Ab Ende März sollen hier Bremer Muslime ein- und ausgehen. Und auch Andersgläubigen will man die Pforten nicht verschließen: „Jeder kann reinkommen und gucken“, betont Kanli Sükrü, Vorstandsmitglied der muslimischen Fatih-Gemeinde.

Blickt man von der Straße aus auf das Gebäude, wirkt es so, als sei es schon in Betrieb. Im Inneren ist aber längst noch nicht alles fertig: nackter Betonboden, soweit das Auge reicht. Lediglich die Deckenarbeiten sind abgeschlossen. Wunderschöne Kronleuchter zieren den von acht verkachelten Säulen getragenen Gebetsraum. Thron und Kanzel, für die traditionellen Freitagspredigten des Imam unerläßlich, fehlen noch. „Vielleicht lassen wir die in der Türkei anfertigen“, wirft Kanli Sükrü augenzwinkernd ein.

Der Mihrab, die Gebetsnische gen Mekka, ist indes fertig. Weil es die baulichen Vorschriften so vorsahen, kann nur der Rundbogen in die Richtung der heiligen Stadt weisen, nicht aber die komplette Wand. Ein Kompromiß, den Architekt Asur Yilmaz eingehen mußte. Künftig müssen die Betenden eben „diagonal im Raum stehen“, so der Bauleiter.

Ob der Termin zur Schlüsselübergabe im März eingehalten werden kann, ist nicht sicher. Probleme mit Lieferanten verzögerten nach Auskunft Yilmaz' schon einmal die fristgerechte Einweihung. Doch wenn die Fatih-Moschee erst mal genutzt werden kann, dann wird sie die größte muslimische Gebetsstätte Norddeutschlands sein. In Bremen ist sie heute schon die einzige, die auch von außen als solche erkennbar ist: mit Kuppel und Minarett.

Gläubigen und Anwohnern des Geländes gilt der 3,5 Millionen Mark teure und 1.800 Quadratmeter große Bau bereits jetzt als ein Prunkstück. Finanziert wurde er „fast komplett über Spenden“, wie Vorstandsmitglied Kanli Sükrü stolz betont.

Weit mehr als nur den 300 Mitgliedern der Gemeinde soll die Moschee zu Spitzenzeiten Platz bieten. Gästen von außerhalb will der Bauherr, der „Verein zur Erhaltung des islamischen Gebetsraums“, zudem Übernachtungsmöglichkeiten offerieren. Auch eine Teestube, Versammlungsräume, eine Küche und eine Bibliothek werden gerade aus dem Boden gestampft. Jugendliche können sich dagegen über ein Dartboard und einen Billardtisch freuen.

Das Sahnestück der Moschee ist eindeutig der Gebetsraum. Unter seiner Zinkkuppel prangen Ornamente und Kalligraphien mit den Namen der Koran-Propheten. Farbenfrohe Verzierungen und Schnörkeleien geben dem Ganzen eine stilvolle Aura. „Für mich ist das kunterbunt“, entfährt es einem (christlichen) Bauarbeiter, der sich zur Besichtigung ins Innere der Moschee verirrt hat.

Ein Haus, offen für alle. Nur treffen werden sich nicht alle in der Gröpelinger Fatih-Gemeinde. Traditionsgemäß werden Männlein und Weiblein über verschiedene Eingänge ins Innere der neuen Moschee geleitet, wo getrennte Gebetsräume auf sie warten. Die Frauen sind ein Stockwerk höher untergebracht. Und auch die rituelle Reinigung von Füssen und Händen vor dem Gebet findet in verschiedenen Räumen statt.

Warum das so ist, möchte hier eigentlich niemand so richtig sagen. „Irgendwie hat das etwas mit unserer Religion zu tun“, windet sich Kanli Sükrü heraus. Und Architekt Asur Yilmaz sieht sich nur als ausführendes Organ. „Das ist so üblich“, so der Bauleiter trocken. Stephan Hespos