„Ich bin hier kein Geschmacks-Vorturner“

■ Hamburgs Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL) will eine Trendwende. Architekten hoffen auf mehr Wettbewerbe. Der langjährige Bremer setzt vor allem auf Flächenverdichtung.

Ein wenig seltsam wirkt es immer noch, wenn altgediente grüne Oppositionspolitiker plötzlich als „Herr Senator“hofiert und ihre Äußerungen mit andächtiger Aufmerksamkeit verfolgt werden. So auch kürzlich in Hamburg, als gut 300 VertreterInnen der Architekten- und Stadtplanerszene im Hörsaal der Hochschule für bildende Künste Willfried Maiers erster öffentlicher Präsentation seiner „Perspektiven der Hamburger Stadtentwicklung“beiwohnten. „Ein bißchen fremdle ich noch in Ihrem Kreis“, gestand der grüne Stadtentwicklungssenator gleich zu Beginn, und der Saal quittierte es mit wohlwollender Heiterkeit.

Bisher hat der GAL-Behördenchef auf Hintergrund-Meetings mit der kleinen, feinen Architektenlobby verzichtet. Um so größer war die Neugier. Maier braucht Wohlwollen, um politisch nicht vorgeführt zu werden. Die Architekten brauchen Aufträge und fordern möglichst viele Wettbewerbe und städtischen Druck auf Investoren, um teuer und hübsch bauen zu können. Doch genau da enttäuschte der GAL-Politiker seine Zuhörer: „Ich lehne es strikt ab, der Geschmacks-Vorturner für die Stadtgestaltung zu sein. Eine Maiersche Architekturästhetik für Hamburg wird es nicht geben.“

Stattdessen will Maier „die öffentliche Auseinandersetzung“über die Stadtgestaltung. Wenn der „dilettierende Laie“in Sachen Architektur (Maier über Maier) seine Kundschaft in dieser Hinsicht auch enttäuschte – stadtplanerisch wurde Maier um so präziser. Seine Botschaft war deutlich: Europas Metropolen und damit auch Hamburg werden weiterhin Bevölkerungswachstum verkraften müssen, „dies ist auf Dauer weder durch Gesetze noch durch Grenzkontrollen einzudämmen“. Andererseits stehen die Grünen für die Erkenntnis „der Begrenzung ökologischer Ressourcen“, zumal in einer Stadt, die „nicht in der Steppe“, sondern an einem „ökologisch hochaktiven Flußdelta liegt“.

Hamburgs bisherige Stadtentwicklung würde bei Fortsetzung ihres Flächenverbrauchs schon in 20 bis 30 Jahren buchstäblich am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sein. Maier will deshalb „die Flächen-Inanspruchnahme bremsen oder sogar stoppen“. Obwohl dies angesichts erfolgter Zugeständnisse (Altenwerder, Mühlenberger Loch) zunächst unglaubwürdig klingt, sieht der neue Stadtplanungschef gute Voraussetzungen für sein Vorhaben: Mit Bundeswehr- und Bundesbahnflächen bestehe „die einmalige Chance, eine Metropole direkt an ihrem Stadtkern weiter zu entwickeln“.

Chancen sieht er auch bei den angeblich stets so knappen Gewerbeflächen: „Auf der heutigen Gewerbefläche ist das planungsrechtlich mögliche Bauvolumen erst zu 30 Prozent realisiert.“Willfried Maier weiß aber, daß eine derartige Trendwende, die auf Nachverdichtung und Flächenrecycling setzt, „sehr schwierig umzusetzen ist“. Um hier Erfolge zu erzielen, will er den „Instrumentenkasten“seiner Behörde verfeinern: „Quartiers-Entwicklungspläne“, weit genauer als die „grobkörnige Flächennutzungsplanung“, sollen helfen, „das Handeln von Behörden und Bezirk im Stadtteil abzustimmen“. Seine Behörde soll dabei die „Moderatorenfunktion“übernehmen.

Und hier ist Maier dann plötzlich gar nicht mehr dilettierender Laie: Die aus den bisherigen Programmen für Stadtsanierung und Armutsbekämpfung zusammengelegte „Soziale Stadtplanung“soll der Schlüssel zur wirklichen Gestaltung der Stadtteile sein. Der magere Etat von nur 60 Millionen Mark, „0,45 Promille des Hamburger Bruttoinlandsprodukts“, soll durch die teilweise Abschöpfung von Planungsgewinnen privater Investoren aufgestockt werden.

Auch wenn soziale Planung die Mehrzahl der Architekten kaum interessierte – Maier machte Eindruck. Schon lange sehnt sich die Stadtmacherszene nach einem Gegenüber mit Grundsätzen und Handlungswillen. Maier erntete deutlichen Beifall. Ob der anhält, weiß er nicht: „Bisher wurde ich überall freundlich aufgenommen, aber noch habe ich nichts entschieden.“ F. Marten/Fo: Scholz