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: Stalins Fenster

„Der Bonzenbunker“, Do., 23 Uhr, ARD

Die Fertigstellung des „Großen Hauses“ war eine Sensation für das nach der Oktoberrevolution wieder zur Kapitale avancierte Moskau. Zentralheizung, funktionierende Lifts – das gab's nicht mal im Kreml. Das „Haus an der Moskwa“ war für die Kader der Nomenklatura bestimmt, je höher der Rang, desto größer die Quadratmeterzahl. Wer hier einzog, hatte es geschafft, freiwillig ging hier niemand weg. „Wer aus diesem Haus wegzieht, hört auf zu existieren“, schrieb Jurij Trifonow in einem seiner schönsten Romane, eben dem „Haus an der Moskwa“.

Dem Dokumentaristen Stefan Fischer ist mit seinem „Bonzenbunker“ ein atmosphärisch dichter, scharfsinniger und gleichzeitig durch Mark und Bein gehender Film gelungen, der in der Geschichte des „Großen Hauses“ den Aberwitz dreier Epochen russischer Geschichte aufdeckt: der „heroischen“, vorstalinschen Periode, als die bolschewistischen Kader ihr standesgemäßes Heim bezogen. Der Zeit des Stalinismus, als die große Furcht sich über den Prachtbau legte und die russische Gestapo reiche Ernte einfuhr. Schließlich die Jetztzeit, wo alles nebeneinander existiert: die alt gewordenen, oft selbst deportierten Kinder ermordeter Kader und die reichen „neuen Russen“, deren privatisierte Wohnungen nicht mehr durch Sicherheitsbeamte, sondern durch Stahltüren geschützt werden.

Nur eins hat sich nicht gewandelt – die Nähe zum Zentrum der Macht, zum Kreml. Stalins Arbeitszimmer („Im Kreml brennt noch Licht“) ist von einer Front des großen Hauses aus gut sichtbar. Wie aber das Gespenst Stalins loswerden? „Ganz einfach“, sagt ein Pope in Fischers Film: Das Licht der Weihe wird die Finsternis vertreiben. Christian Semler