„Ich will das Ding gewinnen“

Für Denvers John Elway ist sein morgiger Super-Bowl-Auftritt in San Diego gegen Green Bay die letzte Chance, die Ehre eines ganzen Quarterback-Jahrgangs zu retten  ■ Von Thomas Winkler

Als er nach Denver kam, tauften sie ihn „The Golden Boy“. Er wurde zum spektakulärsten Quarterback, den die National Football League (NFL) in den letzten 15 Jahren zu bieten hatte. Er verdient Millionen von Dollar, ist erfolgreicher Autohändler, und sollte er seine Karriere beenden, wird er ganz schnell in die Hall of Fame gewählt werden. Aber morgen, wenn er in Super Bowl XXXII mit seinen Denver Broncos gegen die Green Bay Packers antritt, wird sich entscheiden, ob John Elway nicht trotzdem als tragische Figur in die Geschichte des American Football eingeht.

„Ich will das Ding gewinnen“, hat Elway über die Super Bowl nach dem Halbfinal-Erfolg vor zwei Wochen gegen die Pittsburgh Steelers gesagt. Die Teilnahme allein reiche ihm nicht, denn: „Ich war schon mal da.“ Dreimal, um exakt zu sein. Und dreimal haben Elway und seine Broncos verloren. Jene drei Super Bowls gehören zu den einseitigsten in der Geschichte des NFL-Endspiels. Beim bisher letzten Auftritt 1990 ging Elway 10:55 gegen die von Joe Montana geführten San Francisco 49ers unter. Bis jetzt hat sich Elway noch niemals Videoaufzeichnungen dieser drei Niederlagen angesehen. „Es tut zu weh“, sagt er.

Andererseits sind sich die Experten einig, daß kein Quarterback mit den Mitspielern, die Elway damals zur Seite standen, jemals eine Super Bowl gewonnen hätte. „Das waren die Denver Elways“, sagt Matt Millen, 1990 bei den 49ers, heute TV-Kommentator, „jeder wußte, daß sie nur wegen ihm überhaupt eine Chance hatten.“ Es gibt wohl keinen erfolgreichen Klub in der Geschichte des nordamerikanischen Sports, der so sehr auf einen einzigen Spieler baute. Die Edmonton Oilers hatten Wayne Gretzky und Mark Messier, die 49ers der achtziger Jahre hatten Joe Montana und Jerry Rice, die Chicago Bulls Michael Jordan und Scottie Pippen. Bei den Broncos hieß es mehr als zehn Jahre lang immer nur „Elway or No Way“.

Dieser Fall trat meist ein, wenn die Broncos hinten lagen. „Solange er den Ball bekommt“, hat Tight End Shannon Sharpe einmal gesagt, „solange haben wir das Gefühl, daß wir noch gewinnen.“ 44 Mal hat Elway die Broncos nach einem Rückstand im letzten Viertel noch zum Sieg geführt – einer der wenigen Rekorde, die er hält. Was nach Ansicht von Mike Shanahan allerdings am System lag, das in Denver gespielt wurde, bevor er dort Cheftrainer wurde. Hätten die Broncos schon immer mit der West-Coast-Offense operiert, die auf eine gesunde Mischung aus schnellen, kurzen Pässen und Laufspiel setzt, „wüßte ich keinen Rekord, den er nicht halten würde“, sagt Shanahan.

Zudem wurde Elway die ersten zwölf Jahre seiner Profikarriere von einer körperlich schwachen „offensive line“ eher schlecht als recht geschützt. Während Elway in dieser Zeit 416mal gesackt, also bevor er passen konnte von einem Verteidiger zu Boden gerissen wurde, passierte das Dan Marino von den Miami Dolphins, der jeden relevanten Quarterback-Rekord hält, im gleichen Zeitraum nur 178mal.

37 Jahre ist Elway nun alt, und natürlich haben ihn all die Tackles 125 Kilo schwerer Verteidiger nicht jünger gemacht. Operiert worden ist Elway schon an beiden Schultern, am Ellbogen und allein fünfmal am linken Knie. Aber immer noch hat er einen Arm, der ihn mit Anfang Zwanzig beinahe beim Baseball-Team New York Yankees hätte landen lassen. Als Elway in der sechsten Klasse war, weigerte sein Vater sich, mit ihm Ball zu spielen. „Meine Hände taten so weh“, erzählt Jack Elway, „ich konnte den Martini nicht mehr halten.“ Seiner Frau Janet brach John bei einem ihrer ersten Dates den kleinen Finger, als er ihr einen Football zuwarf.

Im Playbook der Broncos sind Spielzüge vorgesehen, die ein anderer Quarterback gar nicht werfen kann. So erzählt Gary Kubiak, jahrelang zweiter Quarterback der Broncos hinter Elway, daß er, wenn er im Training einen dieser Spielzüge ausführen sollte, immer so tat, als würde er kurz vor dem Paß ausrutschen: „Was sollte ich sonst machen? Niemand in der Welt außer ihm kann diesen Wurf an den Mann bringen.“

Doch seit drei Jahren sind die Broncos nicht mehr nur eine Ein- Mann-Show. Mit der Ankunft von Mike Shanahan, der zuvor als Offensiv-Chefcoach mit den 49ers die Super Bowl gewonnen hatte, wurde die Defensive verstärkt, die offensive line mit besseren Athleten ausgestattet und vor allem vermehrt aufs Laufspiel gesetzt. Mit Terrell Davis hat Elway nun zum ersten Mal in seiner Laufbahn einen erstklassigen Running Back zur Seite. In San Diego hat John Elway, der schon vor Jahren zurücktreten wollte, morgen seine wahrscheinlich letzte, aber sicherlich auch seine beste Chance, endlich einen Meisterschaftsring zu gewinnen.

Es ist wahrscheinlich auch die letzte Chance jenes legendären Quarterback-Jahrgangs von 1983. Damals wurde Elway als allererster Spieler gedraftet, dann kamen Todd Blackledge, Jim Kelly, Tony Eason, Ken O'Brien und Dan Marino. Die Hälfte davon kennt längst niemand mehr, aber Kelly erreichte mit den Buffalo Bills immerhin viermal hintereinander die Super Bowl – nur um sie viermal hintereinander zu verlieren. Insgesamt neunmal standen Quarterbacks jenes Jahrgangs in einer Super Bowl und kassierten insgesamt neun Niederlagen. Multi-Rekordhalter Marino wurde von seinem Coach in Miami schon ein Dasein auf der Ersatzbank angedroht, der Rest ist teilweise seit Jahren zurückgetreten. Nur Elway kann die Statistik noch etwas freundlicher gestalten.

„Ein Stigma liegt auf denen, die niemals eine Super Bowl gewonnen haben“, hat Elway bereits vor drei Jahren gesagt, „das ist nicht fair, aber so ist es nun mal. Ich will als Champion zurücktreten. Ich will unbedingt noch eine weitere Chance.“ Morgen hat er sie.