Lebenslängliche Haft für den Unabomber

Ein Deal vor dem Bundesgericht in Kalifornien verhindert die Todesstrafe für Theodor Kaczynski. Der technikfeindliche Attentäter hat keine Chance, jemals wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Theodor Kaczynski, der sogenannte Unabomber, hat mit der US-amerikanischen Bundesstaatsanwaltschaft eine Übereinkunft erreicht. Kaczynski wird bei dem Prozeß gegen ihn in Sacramento, Kalifornien, auf „schuldig“ plädieren, im Gegenzug wird der Staatsanwalt nicht die Todesstrafe fordern, sondern lebenslänglich – dies aber ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung. Ein dementsprechendes Urteil wird für den 15.Mai erwartet.

Solche sogenannten Plea Bargains sind in den USA üblich. Sie tragen der Tatsache Rechnung, daß Recht und Justiz auf dem Grundsatz des Tauschgeschäfts beruhen. Strafmaß wird gegen Mitwirkung des Angeklagten getauscht, wodurch nicht nur die Kosten des Verfahrens gesenkt, sondern die Aussichten, zu einem Urteil zu kommen erhöht werden.

Die Staatsanwaltschaft seit Beginn des Prozesses wegen ihrer Entscheidung kritisiert worden, die Todesstrafe zu fordern. Denn damit blieb der Verteidigung nur eine erfolgversprechende Strategie, nämlich die Zurechnungsfähigkeit des mordenden Einsiedlers aus den Bergen Montanas in Zweifel zu ziehen. Die Frage nach dem Geisteszustand des Angeklagten hatte den Prozeßbeginn prompt dreimal verzögert.

Kaczynski, der Mathematiker aus Harvard und ehemalige Assistenzprofessor in Berkeley, betrieb seit 17 Jahren von seiner Einsiedelei in der Bergwelt Montanas aus einen Briefbombenkrieg gegen die „Technisierung der Gesellschaft“. Drei Menschen wurden dabei getötet, 29 verletzt. Wegen des Versands von Sprengstoff per Post mit Todesfolge steht er in Sacramento vor einem Bundesgericht.

Genau wie im Falle der Prozesse gegen die Bombenattentäter von Oklahoma folgen dem Verfahren vor dem Bundesgericht Mordprozesse vor Gerichten jener Einzelstaaten, in denen Kaczynskis Briefbomben Opfer gefordert haben. Ob der Justiz-Deal auch diese nachgeordneten Mordprozesse betrifft, stand bei Redaktionsschluß nicht fest.

Kaczynskis Verteidiger Quin Denvir und Judy Clarke, engagierte Armenanwälte und Gegner der Todesstrafe, hatten die Pflichtverteidigung übernommen und auf Unzurechnungsfähigkeit ihres Mandanten plädiert, der abseits der Zivilisation in seiner Holzhütte ohne Strom und Wasser über fast zwei Jahrzehnte jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren hatte. Zu diesem Zweck wurde Kaczynskis Hütte aus Montana nach Kalifornien geschafft, um den Geschworenen vorzuführen, wie es gewesen sein muß, über Jahre dort gelebt und Manifeste geschrieben zu haben.

Kaczynski aber wollte von einer solchen Verteidigung nichts wissen. Er verlangte die Entpflichtung seiner Verteidiger und beantragte die Zulassung eines Anwalts, der ihn ohne Rekurs auf seinen Geisteszustand verteidigen würde. Der Richter lehnte ab. Daraufhin beantragte Kaczynski schließlich, sich selbst zu verteidigen, was eine Untersuchung seines Geisteszustands voraussetzte, in die Kaczynski auch einwilligte.

Die Verteidigung Kaczynskis warf ein dorniges juristisches Problem auf. Durfte das Gericht dem Angeklagten nicht nur ein Verteidigungsteam, sondern auch gleich eine Verteidigungsstrategie aufzwingen? Durfte es andererseits zulassen, daß ein Angeklagter die einzig erfolgversprechende Verteidigungstrategie ausschlug und sich buchstäblich um Kopf und Kragen redete?

Die Psychiatrische Untersuchung befand den Angeklagten für verhandlungsfähig, diagnostizierte aber paranoide Schizophrenie. Bundesrichter Garland Burrell entschied daraufhin, daß Kaczynski weder seine Verteidiger entlassen noch sich selber verteidigen dürfe. Damit war der Weg für eine Verhandlungslösung frei. Der jetzt gefundene Deal löst das Dilemma, raubt dabei allerdings dem Angeklagten die Möglichkeit, seine Motive zu erläutern. Bundesrichter Burrel dürfte das recht sein. Er wollte ohnehin keine stundenlangen Tiraden Kaczynskis über die Verderblichkeit der modernen Technik. Eine Kostprobe hatten Zeitungsleser mehrerer Tageszeitungen im April 1995 erhalten als Kaczynski mit einer Bombendrohung den Abdruck eines 80seitigen Manifestes unter anderem in der New York Times erzwang.