Mord und Erpressung im Staatsauftrag

Der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz präsentiert der Öffentlichkeit die Ergebnisse der Untersuchungen über die kriminellen Machenschaften seiner Vorvorgängerin Tansu Çiller – nicht ohne Freude  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Kriminelle haben im staatlichen Auftrag Menschen entführt, Morde begangen und Erpressungsgelder im Milieu der Drogenhändler kassiert. Was die türkischen Medien seit geraumer Zeit publizierten, ist jetzt von einer Amtsperson bestätigt worden, die es wissen muß: Ministerpräsident Mesut Yilmaz hat weite Teile eines von ihm in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichtes über die Verbindungen von organisierter Kriminalität und staatlichen Stellen veröffentlicht.

„Die reinste Niederträchtigkeit“ – so Mesut Yilmaz über die Verhältnisse, die nach einem Verkehrsunfall in der westtürkischen Stadt Susurluk ans Tageslicht traten. Dabei waren im November 1996 ein Abgeordneter, ein Polizeibürokrat und ein gesuchter Killer, die gemeinsam in einer Mercedes-Limousine reisten, verunglückt. Yilmaz erklärte, er werde alles tun, um die Ereignisse aufzudecken und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.

Die Hegemonie der kriminellen Banden falle in den Zeitraum zwischen der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1993 bis 1996 – der Zeit, als Tansu Çiller als Ministerpräsidentin regierte. Tatsächlich finden sich ungeheure Aussagen in dem Bericht, die mit Beispielen belegt werden. „Die Entscheidungsbefugnis für Morde im Gebiet des Ausnahmezustandes war in den Händen von Unteroffizieren, stellvertretenden Kommissaren und den übergelaufenen Terroristen.“

Die Serie der politischen Morde in den kurdischen Regionen, die unter Ausnahmezustand stehen, ist damit amtlich erklärt. Die Polizei unter Führung von Innenminister Mehmet Agar, der Çiller eng verbunden ist, führte offensichtlich auch einen Kampf gegen den türkischen Geheimdienst MIT. Über 100 Informanten des Geheimdienstes seien zwischen 1992 und 1997 von der Polizei entführt und verhört worden. 15 dieser Informanten seien umgebracht worden.

Zentrale Rolle in dem Bericht spielt die Ermordung des Spielhöllenkönigs Ömer Lütfü Topal Mitte 1996. Topal, dessen Jahresumsatz auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt wurde, habe mit Politikern und Polizeichefs zusammengearbeitet. Eine nicht erfolgte Zahlung von 17 Millionen US-Dollar an Ankara sei schließlich der Grund für die Ermordung gewesen.

Auch führende Manager staatlicher Banken werden in dem Bericht erwähnt. Sie deckten den Transfer schwarzer Gelder aus dem Drogengeschäft. Die Kredite der türkischen Eximbank an Turkmenistan seien schließlich in die Kasse von Topals Spielhöllen- und Drogenimperium geflossen.

In dem Bericht finden sich auch mehrere Hinweise auf Verstrickungen der Çiller-Familie in rechtswidrige Aktivitäten. Yilmaz kündigte an, daß eine weitere Ermittlungskommission aus Reihen der Polizei, des Geheimdienstes, des Finanz- und des Zollministeriums gebildet werde um weitere Einzelheiten zu erforschen.

Das gegenwärtige Rechtssystem behindere die Strafverfolgung einer solch starken, im Staat verankerten Mafia. Yilmaz nannte zwei Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müßten: Die parlamentarische Immunität und das Gesetz zum Schutz des Berufsbeamtentums, das strafrechtliche Verfolgung von Beamten erst nach Genehmigung der Verwaltung zuläßt. Auch an eine Kronzeugenregelung ist gedacht.