Gen-Datei gegen Sexualtäter

Der FDP-Bundesjustizminister plädiert für eine Gen-Datei für Sexual- und Gewaltverbrecher. Genetischer Fingerabdruck sollen künftig zentral gesammelt werden  ■ Von Christian Rath

Kaum ist der genetische Fingerabdruck gesetzlich geregelt, plant die Bundesregierung schon den nächsten Schritt. Noch vor der Bundestagswahl im September soll eine zentrale Gen-Datei für Straftäter, insbesondere Sexualverbrecher, eingeführt werden. Dies kündigte jetzt Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) an. Er reagierte damit auf einen Vorstoß des FDP-Rechtspolitikers Jörg van Essen, der kurz zuvor das Vorhaben angemahnt hatte (siehe Interview).

Der genetische Fingerabdruck wird im Strafverfahren schon seit Ende der 80er Jahre eingesetzt. Bei dieser kriminaltechnischen Methode wird das DNA-Material einer am Tatort gefunden Blut-, Sperma- oder Hautabrieb-Spur untersucht und mit den Erbinformationen eines oder mehrerer Verdächtiger verglichen. Stimmen die Proben überein, kann mit über 99prozentiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß die Probe von dem Verdächtigen stammt, dieser also am Tatort war. Um datenschutzrechtliche Probleme zu vermeiden, wird der Test üblicherweise nur mit solchen Sequenzen der DNA ausgeführt, die keine Erbinformationen enthalten. Man spricht deshalb vom „nicht codierenden Bereich“.

In den ersten Jahren wurde der genetische Fingerabdruck ohne gesetzliche Grundlage eingesetzt. Der Bundesgerichtshof stellte 1990 allerdings eine wichtige Einschränkung auf. Die Verurteilung eines Straftäters darf trotz der vermeintlich beeindruckenden Sicherheit der DNA-Analyse nicht das einzige Indiz zur Überführung eines Täters sein. Voraussetzung ist nämlich, daß die Methode auch sachgerecht angewandt wird. So kam es immer wieder in Labors zu Vermischungen zwischen Tatortprobe und Verdächtigtenprobe. Außerdem erfordert die sichere Analyse der Testergebnisse langjährige Erfahrung. Im Vorjahr wurde die neue Methode nun auch formal in der Strafprozeßordnung verankert. Der Aufbau von Datenbanken wurde damals ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Vermutlich soll die neue Gen-Datei beim Bundeskriminalamt angesiedelt werden. Dort werden auch heute schon die Fingerabdrücke von 2,3 Millionen Verurteilten und Tatverdächtigen zentral verwaltet.

In Frage kommt auch das Bundeszentralregister. Anders als bei der Fingerabdruck-Datenbank sollen in die Gen-Datei nur die Daten von bestimmten Straftätern aufgenommen werden. In Interviews spricht Justizminister Schmidt-Jortzig lediglich von „Sexualstraftätern“, tatsächlich geht es aber wohl eher um alle Gewaltdelikte, die über eine simple Wirtshausschlägerei hinausgehen. Künftig könnte dann jede Polizeidienststelle das Ergebnis einer Tatortprobe mit den Genmustern bereits bekannter Straftäter aus der Gen- Datei abgleichen lassen. Die Überführung von Rückfalltätern würde damit erheblich erleichtert. Der Datenschutzbeauftragte Joachim Jacobs ist nicht grundsätzlich gegen dieses Verfahren. Wichtig ist ihm jedoch, daß die zentrale Speicherung strikt auf rechtskräftig verurteilte Täter beschränkt wird. „Auch wer aus Mangel an Beweisen freigesprochen wird, darf nicht in dieser Datei landen.“

Ein konkreter Referentenentwurf liegt noch nicht vor. Die Bundesregierung hat jedoch im vergangenen Frühjahr eine Arbeitsgruppe aus Ministerialbeamten des Innen- und Justizressorts eingerichtet. FDPler van Essen hatte offenbar Angst, daß sich deren Arbeiten hinziehen, und versuchte seinem Justizminister Beine zu machen. Parlamentarischer Widerstand wird kaum erwartet, denn auch bei der SPD sieht van Essen Offenheit für die Gen-Datei.