Gasag-Ausverkauf könnte dem Klimaschutz helfen

■ Kaum energiepolitischer Protest: Mehr Gasumsatz verdrängt Kohle und Öl, entlastet Klima

Vor einem Jahr waren Energiepolitiker elektrisiert: Der Verkauf des Stromerzeugers Bewag sorgte für düstere Befürchtungen. Bei der Privatisierung der Gasag ist das anders. Denn energiepolitisch sehen selbst Fachleute aus der Öko- Szene den Verkauf der 51,2 landeseigenen Prozent nicht als Sündenfall an – im Gegenteil: Eine vollständige Privatisierung der Gasag könnte den Umwelt- und Klimaschutz in Berlin mittelfristig sogar voranbringen.

Bei der Bewag ging es um die Entscheidung darüber, wie umweltbelastend der Berliner Strom erzeugt wird. Doch beim Gas ist die Situation anders: Hier ist die Gasag ohnehin nur Verteiler. Die Entscheidung heißt also nur: Wieviel Gas wird verteilt.

„Der Gasmarkt ist der einzige Wachstumsmarkt auf dem Energiesektor“, meint Christian Matthes vom Öko-Institut. Alle drei Konsortien hätten daher ein Interesse, an diesem Markt teilzuhaben und ihn weiter auszubauen. Das aber geht in Berlin auf Kosten der Energieträger Öl und Kohle – was auch Klaus Müschen von der Energieleitstelle der Umweltverwaltung begrüßt. Denn Gas belastet im Gegensatz zu den CO2-intensiven Brennstoffen Kohle und Öl die Atmosphäre mit wesentlich weniger Klimakillern.

Laut Matthes gilt die Energieversorgung mit Gas etwa in den USA als „Brückentechnologie ins Solarzeitalter“. Denn mit dem „sauberen“ Gas gewinne man Zeit für die Entwicklung von Zukunftsenergien. Außerdem fördere Gas effiziente Technologien und hinterlasse „keine schädlichen Infrastrukturen“ – Gaskraftwerke und -pipelines kann man auch mit Biomasse und Wasserstoff befrachten. „Alle Szenarien für eine Energiewende haben deshalb einen hohen Anteil an Gas“, meint Matthes.

Vor einer engen Verbindung von Gas- und Stromwirtschaft warnt allerdings der grüne Umweltpolitiker Hartwig Berger. Ein Verkauf an die Konsortien Bewag/ Gaz de France oder RWE/ Ruhrgas/Houston bedeute die „Blockade eines Wettbewerbs im Gassektor ebenso wie zwischen Gas und Strom“ – weil nämlich diese Interessenten eng mit der Stromwirtschaft verbunden sind. Wenn die Bewag die Gasag mitübernehme, habe sie außerdem die Möglichkeit, den Bewag-Konkurrenten bei der Stromerzeugung, den Blockheizkraftwerken, über die Gaslieferung den Hahn zuzudrehen, fürchten Fachleute. Andere Experten meinen, die Bewag sei inzwischen mehr an ihrem Gewinn als an Strategie interessiert und sei in einem solchen Fall mehr an den Umsatzmöglichkeiten auf dem Gasmarkt orientiert.

Ein Verkauf an die Stromunternehmen hätte allerdings den Vorteil, die unter Fachleuten immer noch als Behörde geltende Gasag aggressiver bei der Akquisition neuer Geschäftsfelder zu machen – einen drastischen Personalabbau eingeschlossen: „Andere Unternehmen machen das Geschäft der Gasag mit einem Drittel der Beschäftigten“, heißt es. Nach Matthes' Meinung kann auch ein engerer Verbund der Gaswirtschaft mit der Stromwirtschaft etwa über eine Beteiligung der Stromer an der Gasag erst einmal nützlich sein: Das nämlich brächte die Stromunternehmen dazu, ihre Kraftwerke zukünftig zunehmend mit Gas statt mit Kohle oder Uran zu betreiben. Schwierig werde es erst dann, wenn mittelfristig die Expansion des Gasmarktes beendet sei. Dann nämlich würden die Konzerne nicht mehr auf die ökologisch sinnvolle Substitution von Öl und Kohle zielen, sondern auf einen ökologisch unsinnigen möglichst hohen Umsatz an Gas. Bernhard Pötter