■ Besuch einer genehmigungspflichtigen Attrappenausstellung
: Filz und Militär

Ingolstadt (taz) – Heute beschäftigen wir uns mit zwei Fragen: 1) Was sind „verbotene Gegenstände“? und 2) Was hat Militär mit Ästhetik zu tun? Zunächst zur ersten Frage: Verbotene Gegenstände sind all jene Gegenstände, „die in ihrer Form nach geeignet sind, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen“.

So zumindest steht es in § 37 des bundesdeutschen Waffengesetzes geschrieben. Und damit sind wir auch schon bei Teil 1 unseres heutigen Themas, nämlich der Herstellung von Waffen-Attrappen als sogenannte „verbotene Gegenständen“. Genau das hat die Kölner Künstlerin Ulrike Hein getan. Sie formte aus Filz die 1995 weltweit meistbenutzten Kriegswaffen nach: die Maschinenpistole UZI, die AK 47 (Kalaschnikow) und das Sturmgewehr HK-G3 – alle unter Beibehaltung von Größe und Proportion.

Da es aber laut bundesdeutschem Waffengesetz, § 37, Abs. 1 verboten ist, „Gegenstände herzustellen, die in ihrer Form nach geeignet sind, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen ...“, benötigt die Künstlerin für ihre Arbeiten und deren Ausstellung jedesmal ein schriftliche Genehmigung vom Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden. Zur Begründung heißt es: „Auch Kriegswaffen, die von vornherein als Waffenattrappen hergestellt worden sind, und keine Schußwaffen darstellen, werden unter das Verbot gestellt, da sie nicht selten bei der Verübung von Raubüberfällen Verwendung finden.“

Damit die „Verbotenen Gegenstände“ von Ulrike Hein auch in Ingolstadt ausgestellt werden konnten, mußte der dortige Kunstverein also als einladender Ausstellungsgastgeber erst einen umfangreichen Schriftwechsel mit dem BKA in Wiesbaden führen. Dieses erteilte schließlich „widerruflich“ eine „befristete Ausnahmegenehmigung“, die Objekte von Ulrike Hein „zu erwerben und die tatsächliche Gewalt darüber auszuüben“.

Und nun zu Frage 2:

Um im Rahmen dieser Ausstellung der Frage nachzugehen, ob es auch eine Ästhetik des Militärischen gibt, organisierte der Kunstverein Ingolstadt einen Themenabend.

So sollte der eigens aus Frankfurt angereiste Referent Dr. Dietrich Neuhaus, Theologe und seit einer 14tägigen „Informationswehrübung für Führungskräfte“ auch Oberstleutnant zur See, unter Einbeziehung seiner persönlichen Eindrücke bei der Deutschen Marine sich der Thematik „Militär und Ästhetik“ nähern.

Doch all diejenigen, die allein anhand des Vortragstitels einen neuen Bundeswehrskandal gewittert hatten, wurden enttäuscht. So rettete sich Neuhaus auf eine philosophische Meta-Ebene, indem er die Ästhetik auf die „Lehre der Sinnenwahrnehmung“ reduzierte, und ganz bewußt Begriffe wie „schön“ und „unschön“ in seinem Vortrag vermied.

Sprechen ließ er statt dessen Bilder, die seinen Vortrag als Dias begleiteten: Strammstehende Marine-Offiziere in schmucker Uniform wurden an die Wand projiziert; das Waffensystem „Schiff“ mit seinen Mienensuchern und Fregatten lief in der Ingolstädter Galerie ein. Als Bestandteil „bewußt inszenierter Präsenz von Macht“, als ein „Gestus der Erhabenheit“ stünden sie stellvertretend für die „Ästhetik des Militärs“. Fazit: Militär und Ästhetik sind nicht zu trennen. Erst durch die bewußte, reflektierte Wahrnehmung der jeweiligen Gegenstände, so Neuhaus, könne die ihnen innewohnende Ästhetik erkannt werden. Manuela Knipp-Dengler

„Verbotene Gegenstände“ von Ulrike Hein: noch bis zum 8. Februar im Kunstverein Ingolstadt; Moritzstr. 17, Dienstag bis Sonntag von 15-20 Uhr.