Der Papst stellt sich auf die Seite der Armen

■ Bei der letzten Messe während seines Kuba-Aufenthaltes kritisiert Johannes Paul II. in Havanna kapitalistischen Neoliberalismus und Globalisierung. Zuvor attackierte der Erzbischof von Santiag

Havanna/Berlin (dpa/AFP/taz) Seit dem Morgengrauen sind gestern Kubaner zu Zehntausenden auf den historischen Platz der Revolution in Havanna geströmt, um der letzten Messe des Papstes in ihrem Land beizuwohnen. Viele schwenkten Fähnchen des Vatikans und Kubas. Auf riesigen Wandgemälden prangten neben dem Revolutionär Ernesto Che Guevara auch Jesus Christus. Von einem Gebäude hing eine Fahne mit der Aufschrift „Frieden ist das Ergebnis von Gerechtig keit“.

Dieses Motto war dem Papst offenbar nicht ganz fremd. Johannes Paul II. wandte sich in seiner Predigt gegen kapitalistischen Neoliberalismus und eine rücksichtslose Globalisierung. Dies ordne den Menschen den „blinden Marktgesetzen“ unter und mache die armen Länder der Dritten Welt immer ärmer, sagte der Papst.

„Ein solcher Neoliberalismus in den Zentren der Macht bürdet den weniger begünstigten Ländern untragbare Lasten auf“, rief das Oberhaupt der katholischen Kirche unter dem Beifall der Anwesenden. Den armen Ländern würden wirtschaftliche Reformprogramme aufgezwungen, die sie nicht durchhalten könnten. Die Folge sei, „daß die Wohlhabenden immer reicher werden und die Armen immer ärmer“.

Mit Blick auf das anhaltende US-Embargo gegen Kuba rief der Papst zum Abschluß seines Besuchs die internationale Gemeinschaft erneut auf, die Isolation der Karibikinsel zu überwinden. Der Papst hatte die Blockadepolitik der USA mehrfach scharf kritisiert, da sie gerade die Ärmsten des Landes ungerecht bestrafe. Doch die US-Fernehsender, die unter anderen Umständen dem Papst, seiner Botschaft und Präsident Fidel Castro ein fünftägiges Forum gegeben hätten, sind zur Zeit mit einem anderen Thema beschäftigt. Tatsächlich zogen zahleiche Medien einen Teil ihrer angereisten Journalisten aus Kuba ab, nachdem der neueste Sexskandal um US-Präsident Bill Clinton ruchbar wurde.

Zugleich verlangte der Papst erneut politische und religiöse Freiheiten sowie die Einhaltung der Menschenrechte. Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität müßten vereint werden. Zwar nannte der Papst die Einparteienherrschaft im sozialistischen Kuba nicht ausdrücklich beim Namen. Er sagte aber, ein moderner Staat müsse es allen Menschen erlauben, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Bereits am Samstag hatte Johannes Paul II. die kubanische Führung in zur Achtung der Menschenrechte und zur Freilassung politischer Gefangener aufgerufen.

Bei der Messe in Santiago de Cuba richtete der Erzbischof von Santiago, Pedro Meurice Estiu, während des Gottesdienstes heftige Angriffe gegen die Regierung von Staats- und Parteichef Fidel Castro. Der Erzbischof warnte davor, „das Vaterland mit der Kommunistischen Partei, die Nation mit dem historischen Prozeß der vergangenen Jahrzehnte und die Kultur mit einer Ideologie“ zu verwechseln. Er beklagte, daß die katholische Kirche durch die „ideologische Konfrontation mit dem „staatlich geförderten Marxismus- Leninismus“ geschwächt worden sei. Der Gottesdienst wurde im staatlichen Fernsehn direkt übertragen. Ungewohnte Worte eines Kubaners auf Kuba in aller Öffentlichkeit.