Berliner FDP verliert Rechtsaußen...

■ ... weil Nationalliberaler von Stahl erneut nicht Vorsitz erringt

Berlin (taz) – Pfiffe ertönen, Buhrufe. „Dieser Typ“, sagt ein FDP-Mann empört, „hat einfach keinen Anstand.“ Und doch waren viele Delegierte erleichtert, als Markus Roscher am Freitag abend auf dem Berliner Landesparteitag theatralisch seinen und den Austritt von 18 Gesinnungsfreunden aus der Berliner FDP erklärte. „Ich halte Wort, für uns Nationalliberale gibt es in der FDP keine Zukunft mehr, also hat auch die FDP keine Zukunft mehr.“

Der Abgang des 34jährigen Juristen Roscher, der kurz darauf zur neugegründeten Partei der Rechtspopulisten Manfred Brunner und Heiner Kappel übertritt, war keine Überraschung. Schließlich hatte Roscher dies öffentlich für den Fall angekündigt, daß Alexander von Stahl wieder nicht zum Landesvorsitzenden gewählt werden sollte. Immerhin: Der ehemalige Generalbundesanwalt konnte einen Achtungserfolg verbuchen. 143 Delegierte votierten im zweiten Wahlgang für ihn. Ihnen hatte sich von Stahl mit den preußischen Tugenden „Gradlinigkeit, Zuverlässigkeit, Sparsamkeit“ empfohlen. Ohne Chance war dagegen Heinz Lanfermann, Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Der Import aus Bonn fiel im ersten Wahlgang durch. Lanfermann hatte einst im nordrheinwestfälischen Landtag für Bonn als Regierungssitz gestimmt – ein Makel, den Berliner Liberale so schnell nicht vergessen.

Die Wiederwahl des alten und neuen Landeschefs Martin Matz, für den 169 Delegierte stimmten, wurde fast gleichgültig aufgenommen. Vor zwei Jahren hatte sich der Bankkaufmann mit einer kämpferischen Rede gegen von Stahl durchgesetzt. Diesmal reagierte der 32jährige auffallend zurückhaltend. Matz rang sich nur einmal zu einem Angriff gegen die Rechten durch: Das „nationalliberale Ding ist nun einmal nicht so populär“, daß große Teile der Bevölkerung „sehnsüchtig darauf warten würden“, rief er jenen Rechten entgegen, die zusammen mit von Stahl in der FDP ausharren wollen.

Die Sehnsucht der Berliner für die FDP hält sich auch ansonsten in Grenzen. Die Partei von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt, seit Ende 1995 nicht mehr im Abgeordnetenhaus, wird in den Umfragen bei zwei Prozent taxiert. Hoffnungen richten manche denn auch auf eine Berliner Besonderheit: Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen 1999 entfällt die Fünfprozent- hürde. Zumindest auf unterster Eben könnte dann die Berliner FDP repräsentiert sein – pünktlich zum Regierungsumzug.

Das Ziel einer studentischen Gruppe, massenhaft der Berliner FDP (2.700 Mitglieder) beizutreten, wurden von manchen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Ironisch erinnerte ein Delegierter seine Partei an die Beitrittswelle nach 1968. Aus vielen seien „doch ganz ordentliche Liberale geworden“. Severin Weiland