Teile der Republikanischen Partei haben den Amtsantritt Bill Clintons nie akzeptiert. Ihnen ist jedes Mittel recht, den Präsidenten zu stürzen. Die Strategie dazu haben sie aber nicht erfunden. Der Sexskandal zeigt auch, wie in den Vereinig

Teile der Republikanischen Partei haben den Amtsantritt Bill Clintons nie akzeptiert. Ihnen ist jedes Mittel recht, den Präsidenten zu stürzen. Die Strategie dazu haben sie aber nicht erfunden. Der Sexskandal zeigt auch, wie in den Vereinigten Staaten demokratische Institutionen versagen

Sex und Geld: eine explosive Mischung

Hat er oder hat er nicht? Hat er mit ihr etwas gehabt und vor allem: hat er ihr dann geraten, zu schweigen, zu leugnen und zu lügen? Natürlich ist die Frage wichtig. Aber ist sie auch wichtiger als die Handlungsfähigkeit Clintons, in den Nahost-Friedensprozeß einzugreifen, die Krise im Irak zu lösen oder die Ereignisse in Bosnien und im Kosovo im Auge zu behalten?

An Mitterrands Grab standen seine Frau, seine Geliebte sowie seine eheliche und seine uneheliche Tochter. Ein vergleichbares Bild dürfte in Amerika undenkbar sein. Und Clinton kann es schon gar nicht so machen wie Schröder und seine Geliebte heiraten. Ja, Amerikas Puritanismus verlangt eben von seinen Präsidenten, daß sie Tugendhelden sind, nicht wahr? Nein, mit Puritanismus hat das nichts zu tun. Sondern mit der Art, politische Auseinandersetzungen zu führen, und mit dem Niedergang des demokratischen Prozesses in Amerika.

Jimmy Carter, Nixons Nachfolger und Reagans Vorgänger, wurde während seines Wahlkampfes vom Playboy interviewt und gefragt, ob eheliche Treue und sexuelle Tugend für den Präsidenten notwendige Tugenden seien. Er hat sinngemäß geantwortet, er selbst wisse sich nicht frei von Schuld. Die Presse heulte auf und wollte Carter eine Affäre anhängen. Genauere Lektüre zeigte, daß der spätere Präsident ganz etwas anderes gesagt und gemeint hatte. Aber wer las schon den Playboy und gab das auch noch öffentlich zu. Der bloße Versuch, selbst einen Mann wie Carter in die Nähe von Sex und Skandal zu bringen, war eines der Merkmale der Politik in der Nach-Watergate-Ära.

James Stewart, Redakteur des Wallstreet Journal, gab seinem Buch über Clintons Whitewater- Affäre sowie über deren Aufklärung den Titel „Blood Sport“. Das Spiel um Politik und Macht ist in Amerika ein blutiger Sport geworden. Und sind auch Watergate-Affäre und Clintons Frauengeschichten letztlich von sehr unterschiedlichem Kaliber, die Popularität des Anhängsels „gate“ (Watergate, Whitewatergate, Paulagate) zeigt letztlich doch, in welchem Maße diese Skandale und ihre Bedeutung in der amerikanischen politischen Auseinandersetzung miteinander verwandt sind. Sie stehen für das Versagen des amerikanischen demokratischen Prozesses und seiner demokratischen Institutionen.

Bill Clinton kam 1992 nach zwölfjähriger Herrschaft der Republikaner über das Weiße Haus an die Macht. Ein Kern innerhalb der Republikanischen Partei hat das nie akzeptiert. Nicht, daß es eine Verschwörung gegen Clinton gäbe, aber innerhalb der Republikanischen Partei und vor allem der „Christian Coalition“ gibt es Kräfte, denen jedes Mittel recht wäre, den Präsidenten zu stürzen.

Die Mittel dazu haben sie nicht erfunden, und die Vorwände ließen sich auch bei ihnen finden. Zwei Hebel werden zum Sturz des Präsidenten angesetzt: das Verhältnis des Präsidenten (beziehungsweise seiner Partei) zu Geld und zu Sex. Die Mischung ist explosiv.

Die Charakterisierung des politischen Gegners als Wüstling hat die der Anschwärzung als Kommunistenfreund abgelöst. Erfunden haben die Republikaner diese Strategie nicht. Die Demokraten haben sie ihnen bereits 1990 vorgemacht.

Als George Bush den schwarzen Juristen Clarence Thomas zum Richter am Obersten Gerichtshof ernannte, strengte die damals demokratische Mehrheit im Justizausschuß des Senats eine Woche lang live übertragene Hearings an. Der Vorwurf, Thomas habe seine damalige Mitarbeiterin Anita Hill sexuell belästigt und angemacht, wurde so vor der ganzen Nation verhandelt. Die Anschuldigung wurde letztlich nie geklärt. Clarence Thomas wurde als Richter bestätigt. Jetzt wenden die Republikaner das Verfahren an und haben eine Zielscheibe, die ihnen eine offene Flanke bietet.

Die andere Schwachstelle in der Präsidentschaft Clintons ist das liebe Geld. Wahlkämpfe kosten in Amerika kaum vorstellbare Summen. Seit Jahrzehnten aber haben die Republikaner beim Geldeintreiben einen Vorsprung. Das verleitete die Demokraten und Clinton zu – gelinde gesagt – sehr kreativen Methoden der Geldbeschaffung, die letztes Jahr ein Senats- und ein Untersuchungsausschuß des Repräsentantenhauses zu durchleuchten versuchte. Ginge es nach dem Willen der Republikaner, dann würde auch hier ein Sonderstaatsanwalt ermitteln müssen.

Die entscheidende Instrumente der Auseinandersetzung sind nicht mehr das Parlament und die öffentliche Debatte, sondern die Gerichte und juristische Konstrukte. Aus Mißtrauen in seine eigenen Behörden und in sein eigenes Parlament hat das amerikanische System die Monstrosität des Sonderstaatsanwaltes hervorgebracht. Dieser kennt keine Haushaltsbegrenzung, er ist nur einem Kollegium dreier Richter verantwortlich.

Macht korrumpiert, absolute Macht führt zur absoluten Korruption, und der Sonderermittler Kenneth Starr ist geradezu zum Spiegelbild dessen geworden, was er untersucht. Wenn er heimlich Leute aushorchen läßt und Liebesgeflüster aufnehmen will, wenn er bei einer Hausdurchsuchung aus dem Apartment der Monica Lewinsky Kleider beschlagnahmen läßt, dann bekommt das Wort vom Waschen schmutziger Wäsche in der öffentlichkeit einen ganz neuen Klang.

Clintons Programm ist populär. Was er in der letzten Legislaturperiode nicht als große Reformwerke durchsetzen konnte, sollte dieses Jahr in kleinen Portionen verabschiedet werden. Man hat ihm die Bekanntgabe seines Programms für dieses Jahr als einen Versuch ausgelegt, von der Paula-Jones- Geschichte abzulenken.

Ob Clinton dieses Programm jetzt noch durchsetzen kann, ist fraglich. Wessen Schuld das ist, sei einmal dahingestellt. Aber daß es nicht zu den von ihm angestrebten Reformen des Krankenkassen- und Rentenwesens, der Schulen und Kindergärten kommen wird, das wird das Ergebnis dieser Krise sein. Und all diese Vorhaben werden nicht in erster Linie am Parlament und der öffentlichen Meinung gescheitert sein. Peter Tautfest, Washington