„Nerven wie Drahtseile“

Ab heute sind im ZDF Die Rettungsflieger im Einsatz: Hanseatische Vorabend-Action und ein bißchen Flirt für Serien-Fans  ■ Von Kai von Appen

Wer sich zu den unerbittlichen Fans von Hamburger Actionserien zählt, wurde in den letzten Wochen bitter enttäuscht. Egal, welchen Sender er auch anzappte, nirgends der Hauch einer Polizei- oder Rettungsserie mit hanseatischem Flair. Sabrina und Eva legen gerade eine Erholungspause von ihrem Doppelten Einsatz (RTL) im Hafen- und Kiezmilieu ein, die sozial engagierten Kripo-Feministinnen Carla und Sema vom Revier Hamburg Süd (ARD) sind im Urlaub und die Feuerengel (RTL) von der Admirali-tätstraße quittierten sogar ihren Dienst. Entzugsgefährdete Actionfans mußten mit anderen Lokalitäten vorlieb nehmen. Doch was hat eine Frankfurter Wache (Sat1) oder ein Wiener Kommissar Rex dem hanseatischen Lokalpatrioten schon zu bieten?

Inzwischen hat alles Klagen ein Ende: Nachdem der bayerische Medicopter 117 aus purer Konkurrenzgier von RTL vor zwei Wochen vorzeitig in den Einsatz geschickt wurde, starten heute pünktlich um 19.25 Uhr auch die hanseatischen Rettungsflieger (ZDF) zur Aufholjagd um die Einschaltquoten. Schon der Pilotfilm „Herzalarm“, den das Zweite im vergangenen Februar ausstrahlte, zog über fünf Millionen Zuschauer in Bann. Und so scheute „Studio Hamburg“auch keine Mühen, die Episoden aufwendig in Szene zu setzen.

Im Mittelpunkt der zunächst sechsteiligen Staffel: Die Crew des „Search-and-Rescue“-Hubschraubers am Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek. Glaubt man der Programmankündigung des Senders, so haben die Rettungsflieger „Nerven wie Drahtseile“, wenn sie im Hamburger Stadtgebiet selbst noch auf briefmarkengroßen Landeplätzen heruntergehen.

In den – nicht immer realistischen – „aufregenden Folgen“(O-Ton ZDF) managen Notärztin Maren (Gerit Kling), Pilot Alexander (Matthias Leja), Bordmechaniker Max (Frank Stieren) sowie die Sanitäter Thomas (Ulrich Bähnk) und Leo (Rene Steinke) eine Zwillingsgeburt im Hochhaus. Die Crew wird zu schweren Verkehrsunfällen gerufen und muß verunglückte Personen von einem hochexplosiven Schiff bergen. Und selbst die Rettung eines schwerverletzten hochschwangeren Blindenhunds meistert man mit Bravour. Die Filmemacher schreckten im November nicht einmal davor zurück, den Helikopter auf dem Rathausmarkt landen zu lassen: Immerhin gaben Alsterarkaden und Stadtpalast eine gute Kulisse für die Luftrettung eines Skateboard-Fahrers ab.

Wie bei Serien so üblich sollen ein paar Frauen auch bei den Rettungsfliegern für den gewissen human-touch sorgen. Mit Emanzipation hat das in der Regel wenig zu tun. Bei den Feuerengeln etwa baggerten die beiden mitwirkenden Löschladys ihre männlichen Kollegen an, egal, ob verheiratet oder nicht. Das absolute Beziehungs-chaos auf der Feuerwache Admiralitätstraße war schnell perfekt. Den echten Feuerwehrlern nötigte die Serie nur ein Naserümpfen ab: „Es ist eben ein reiner Unterhaltungsfilm, der nicht den Alltag bei der Feuerwehr widerspiegelt“, lautete der Kommentar eines Hamburger Feuerwehrsprechers.

Wer dennoch einen Blick in die Serie werfen möchte, bekommt im Laufe des Jahres noch einmal Gelegenheit dazu. Die Feuerengel sollen wiederholt werden. Neue Episoden sind nicht geplant: „Zu teuer“, lautet der Kommentar der RTL-Programmacher. Hamburgs Straßen werden dennoch auch in Zukunft begehrte Kulisse für beliebte Produktionen sein. So ist bereits die zwölfte Staffel des Krimimärchens Großstadtrevier (ARD) im Kasten. In wenigen Wochen gehen Dirk (Jan Fedder) und Tanja (Andrea Lüdtke) wieder auf Streifenfahrt und werden manch rührseeligen Fall auf der Mattscheibe lösen. Mit Spannung erwarten die Fans der Vorabendserie, ob Regisseur Jürgen Roland es endlich zuläßt, daß Tanja Dirks Zuneigung erwidert oder ob es weiterhin nur beim kollegialen Küßchen in Ehren bleibt.

Etwas später sind dann auch wieder die Fahnderinnen Carla (Muriel Baumeister) und Sema (Meral Perin) im Revier Hamburg Süd in Aktion – die Dreharbeiten laufen gerade an. Die mit sozialwissenschaftlicher Begleitung produzierte Serie greift die Probleme in Stadtteilen wie Wilhelmsburg auf. Beide Frauen müssen sich – wie sollte es anders sein – gegen die Vorurteile und den Widerstand ihrer männlichen Kollegen behaupten. Natürlich kommt auch Hamburg Süd nicht ohne persönliche Note aus: Obwohl die beiden Kampfsportlerinnen Sema und Carla Typen meist bescheuert finden, fehlt auch hier nicht der eine oder andere Flirt.

Last but not least werden Sabrina (Despina Pajanou) und Eva (Sylvia Haider) vom Doppelten Einsatz dies Jahr in drei Specials als unnachgiebige Fahnderinnen zu sehen sein. Wem die hanseatische Krimi-Kost zu feministisch ist, dem sei das öffentlich-rechtliche Fernsehen empfohlen. Denn dort sind ab Februar im Ersten wieder Die Männer vom K 3 im Einsatz.