Vor dem Rütteln erst ziehen

■ An der Schlachte hat der Bau der neuen Uferpromenade begonnen: Martini-Anleger und Pfähle müssen als erstes weichen, ehe die Spundwand „eingerüttelt“werden kann

Langsam und behäbig neigt sich der Kran-Ausleger ein wenig nach vorne. Bauarbeiter führen den baumelnden Haken zu einem der Pfähle, der noch tief im eiskalten Weserwasser steckt. „Wir machen Zieharbeiten“, sagt Heiko Wohlgemuth, Polier der Dehning & CO GmbH. Die Firma ist von der Stadt beauftragt worden, die Uferpromenade der Schlachte zu verbreitern.

Zu diesem Zweck muß zunächst zwischen der Wilhelm-Kaisen- und der Bürgermeister-Smidt-Brücke eine Spundwand in den Fluß getrieben werden. Doch bevor der sogenannte „Rüttler“mit schnellen Vibrationen den Sand wegbewegen und die Wand in den Grund versenken kann, stehen zunächst einmal Vorarbeiten an: Wohlgemuth und seine Kollegen müssen besagte Pfähle herausziehen und die Pontons des Martini-Anlegers verlegen. In zwei Jahren, so die Planung der Wasserbauer, soll die Schlachte fertig sein. Insgesamt investiert Bremen 38 Millionen Mark, um die „Stadt am Fluß“attraktiver zu machen.

Derzeit ist man auf der Plattform am Weserufer dabei, Metallplatten in die vorhandenen Pfähle einzuschweißen, um sie daran besser hochziehen zu können. Rund 20 Meter mißt so ein Pfahl, die Hälfte davon steckt unter der Wasseroberfläche. Bereits in der kommenden Woche will die Dehning GmbH mit den Vorarbeiten fertig sein und mit dem Bau der Spundwand beginnen. Aus Sicht der Planer ist jene notwendig, um die Promenade an der Weser von vier auf knapp neun Meter zu verbreitern. Am neuen Schlachte-Ufer sollen dann auch mehr Vergnügungsdampfer und Restaurantschiffe festmachen können.

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Befürchtungen gegeben, die Vibrationen beim Einrütteln der Spundwand könnten die historische Bausubstanz an der Schlachte schädigen. Vornehmlich die Martini-Gemeinde hatte Sorge vor Rissen im Kirchenbauwerk.

Aus Rücksicht auf die alten Gebäude verzichtet die Behörde bereits darauf, die Wand in den Grund einzurammen, obwohl dieses Verfahren billiger wäre, und hat sich für das Rütteln entschieden. Schlachte-Projektleiter Harm Häger vom Bremer Hafenamt dazu: „Wir erwarten keine Schädigungen.“Dennoch habe man seitens des Hafenamtes unabhängige Gutachter beauftragt, die die Kirche und die anliegenden Gebäude in Augenschein nehmen sollen, auch um eventuellen späteren Schadensansprüchen vorzubeugen. Gleichwohl ist man sich im Hafenamt sicher, daß der LKW-Verkehr auf der Martini-Straße mehr Erschütterungen erzeugt als das geplante Einrütteln der Spundwand.

Gedanken über das Projekt Schlachte-Ausbau macht sich auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Nach Angaben des Mitarbeiters Bernd Langer habe sich die Organisation zwar „damit arrangiert“, daß die Schlachte ausgebaut werde. „Wir können damit leben“, so der BUND-Experte. Doch haben Proben ergeben, daß die Baumaßnahmen schadstoffhaltige Materialien zutage fördern werden, vornehmlich Trümmerschutt aus dem Zweiten Weltkrieg. „Kontamination ist vorhanden“, bestätigt auch Harm Häger vom Bremer Hafenamt. Pläne der Behörde sehen vor, den mit Schwermetallen leicht verseuchten Schutt weiterzuverwerten. So kann sich Häger vorstellen, das Material im Überseehafen zur Sicherung der maroden Kais einzumauern. Schwer belastete Trümmer wie Bleirohre müßten hingegen aussortiert werden, so der Mann vom Hafenamt.

Für den BUND ist das „ein Grenzfall“. Aber die Naturschützer betrachten die Pläne des Hafenamtes „mit stillschweigendem Einverständnis“. Besteht also kein akuter Handlungsbedarf? Bernd Langer meint nein. Aber: „Das Beispiel sollte keine Schule machen.“Besser wäre es, „wenn man alles deponiert, statt es erneut zu verwerten“. Stephan Hespos