Zeitlose Liebe in hölzernem Format

■ MOKS-Theater zeigt „Käthchen oder die Feuerprobe“nach Heinrich von Kleist

Über dreizehn ist man auch mit neununddreißig. Insofern senkte der Autor dieser Zeilen, der einigermaßen furchtlos seinem 32sten Herbst entgegen sieht, den geschätzten Altersdurchschnitt der BesucherInnen der MOKS-Theater-Premiere „Käthchen oder die Feuerprobe“um einiges. Was an und für sich nicht bemerkenswert wäre, richtete sich das Stück im Brauhaus nicht ausdrücklich an „alle ab 13 Jahren“. Was man natürlich auch ist, wenn man – im Schnitt – bereits neununddreißig ist. Insofern ... . Aber das sagten wir bereits.

Blond und groß, schön und herrisch, furchteinflößend und dumm – ein rechter Kerl halt, der Graf vom Strahl (Klaus Schumacher). Wenn dieser edle Rittersmann nicht gerade im stählernen Trainingsanzug per Baumstammstemmen seinen Astralkörper buildet, beschimpft er grundlos seinen überaus symphatischen Diener Gottschalk (Cornelius Nieden) oder rettet so hinterfotzige Intrigantinnen wie Kunigunde von Thurneck (Prisca Meier) vor dem Hungertod, um sich danach auch noch in sie zu verlieben. Ausgerechnet einem solchen ausgemachten öden Blindfisch verfällt das Käthchen aus Heilbronn (Christine Ochsenhofer). Die Tragödie ist vorprogrammiert. Käthchens Vater Theobald Friedeborn (Cornelius Nieden) grämt sich ob des Liebeskummers seiner Tochter, Kunigunde führt den vor Liebe blinden Grafen an der Nase herum, und Käthchen liegt im Holunderbusch vor dem Strahlschloß, ignoriert Gottschalks aufrichtige Zuneigung, erträgt stattdessen lieber klaglos alle Demütigungen des Grafen vom Strahl und wartet auf den Sinneswandel ihres Traumprinzen. Denn in einem Traum ward ihr vor Jahren gewahr, daß dieser und kein anderer ihr Gatte sein soll. So ist das, wenn Amors Waffenarsenal geballt auf die Richtige einprasselt.

Nicht viel hat Regisseurin Franziska Steiof in ihrer Neuinszenierung für Jugendliche von Heinrich von Kleists märchenhaftem Trauerspiel „Käthchen von Heilbronn“übrig gelassen. Kaum eine Szene, kaum ein Dialog findet sich bei Kleist so wieder. Das Personal wurde drastisch reduziert, der für Kleist zentrale Konflikt zwischen Adel und Bürgertum vollständig eliminiert. Eine zeitlose Geschichte über bedingungslose Hingabe und die Macht der Liebe wollte Steiof inszenieren, mithin nur das auf die Bühne bringen, was der moderne Jugendliche an sich versteht, was ihn eigentlich interessiert, wenn ihm Standesbarrie-ren, Rittergehabe und ähnlich antiquiertes Zeug nichts mehr sagen. Durchaus edel, das Anliegen, nur: Warum dafür Kleist verhunzen?

Die Inszenierung geht nicht auf, weil sie den Zuschauenden nicht zu vermitteln vermag, worin der zeitlose Kern des Themas denn besteht. Die Liebesgeschichte zwischen Käthchen und dem Grafen ist eher fad als ergreifend, weil die Figuren zu hölzern angelegt und ihre inneren Konflikte und Verwandlungen im Laufe des Stücks nicht transparent werden. Gerade noch der schrecklichen Kunigunde erlegen und Käthchen fortwährend verhöhnend, verfällt vom Strahl schwupsdiwups ins andere Extrem. Nun wird Käthchen sogar geheiratet und Kunigunde verhöhnt – was Strahl weder symphatisch noch glaubwürdig macht und auch kein gutes Licht auf Käthchens zwar konsequente, aber wenig attraktive Märtyrerinnenhaltung wirft. Denn ihr naiver Glaube an die „Macht der Träume und der Liebe“ist auf Dauer eher agressionsfördernd als imponierend. Wären nicht die von Cornelius Nieden charmant und facettenreich gespielten Figuren Theobald und Gottschalk und käme nicht noch Thomas Schachts sehr schöne Musik hinzu, wäre „Käthchen oder die Feuerprobe“ein eher uninteressantes Stück. Aber vielleicht sehen das die Menschen ab dreizehn ja anders. Insofern sie nicht ihrem 32sten Herbst entgegen gehen. zott

Weitere Aufführungen: 31. Januar, 7., 14., 21. Februar, jeweils um 19.30 Uhr im Brauhaus