■ Normalzeit
: Das Verabscheuungswürdige des Handels

Der Ostberliner Basisdruck- Verlag, 1989 bürgerbewegt-furios mit der Zeitung Die Andere und der Veröffentlichung von Stasi- Protokollen gegründet, produziert heute einen bunten Bücher- Mix sowie „Pamphlete“ und die Zeitschrift Sklaven. Er produziert und produziert. Statt eines Vermarktungs-Brainstorming widmen sich die Geschäftsführer einem Marx-Arbeitskreis. Und statt Verkaufsstrategien zu verfolgen, verhandeln sie mit „Investoren“. Zwar ist allen klar: „Ohne Moos nix los!“, aber es hat für sie anscheinend nichts Verführerisches, direkt teilzunehmen an der wundersamen Verwandlung eines Gebrauchswertes in einen Tauschwert und an einer Verwandlung der Verwandlung – hin zu einem jeglichen Gebrauchswert gegenüber gleichgültigen Bombengeschäft.

Sie verausgaben sich statt dessen – umgekehrt – an der Verwandlung von schnödem Geld in kostbares Wissen (das wie Blei in den Regalen liegt). Auch ihr Politikbegriff ist davon tangiert – insofern jedes Verhandeln ein Handel ist. Und der war im Osten Staatsmonopol. Ich erinnere nur an die Investitionsgüter-Geschäfte des MfS-Büros „KoKo“ und die Pankower Cocom- GmbH „Gerlach“ von Michael Wischnewski. Noch und schon in den letzten Gesprächen zwischen Schäuble und Krause gab es ein ständiges Geben und Nehmen. Zuvor waren bereits Hunderte von DDR-Bürgern in den BRD- Botschaften von Budapest und Prag durch Genscher und den US-Botschafter Palmer gegen Millionensummen für die jeweiligen Regierungen „ausgetauscht“ worden.

Mit ähnlichen finanziellen „Dolchstoß“-Mitteln wurde seinerzeit auch die antiterroristische Erstürmung der „Landshut“ ermöglicht: Hier zahlte der SPD- Unterhändler Wischnewski an die Regierung in Mogadischu. Umgekehrt war die finanziell von der KPdSU unterstützte Palästinensergruppe „Schwarzer September“ dem KGB zu Diensten: und schlug z.B. Andrej Sacharow in Moskau zusammen. Diese Politik – als „schmutziges Geschäft“ – hatte sich bereits bei der Verhaftung der an das Schwarze Meer geflüchteten Terroristen, u.a. Till Meyer, bewährt, wo das BKA den bulgarischen Staat dafür bezahlte, dort operieren zu dürfen. Eine Etappe in der kurzen Geschichte vom Geisel-Lösegeld zum DDR-Häftlingsfreikauf. Oder vom antiken Sklaven zum Aufbau des Sozialismus durch Zwangsarbeit, aus der heraus die „Politischen“ ab den siebziger Jahren ebenfalls bisweilen „ausgetauscht“ wurden.

In summa: Für viele Ostler ist noch heute jeder echte Gewinn ein verfluchter Judaslohn. Während das andere Extrem – der smarte Yuppie – davon ausgeht: Geld stinkt nicht. Ja, es befreit einen sogar von allen üblen Gerüchen! (Jeden Tag ein frischgebügeltes Hemd!) Obwohl auch diese Extremisten oft die unsaubere Herkunft ihrer „Geschäfte“ zumindest ahnen. So kannten z.B. die Manager von SEL, die über den Kauf des Ostberliner Instituts für Nachrichtentechnik (INT) verhandelten, selbst den hochgeheimen Stasi-Entwicklungstrakt dort, weil sie früher schon, als geheime Kooperationspartner, alle Passierscheine dafür bekommen hatten – im Gegensatz zu den im INT beschäftigten Ost-Ingenieuren selbst.

Noch 1992 riet der Vorsitzende des deutschen Unternehmerverbandes, Wolf von Amerongen, seinen ins Ost-Geschäft drängenden Kollegen, sich dort stets mit KGB-Offizieren zusammenzutun. Dies erklärt, warum die Bürgerrechtler sich damals weder große Hilfe vom Westen erhofften (außer von der Presse) noch sich nun freudigen Herzens in die sogenannte Marktwirtschaft stürzen können – unweigerlich bekommen sie es dabei mit denselben Pappnasen zu tun wie früher. Ja, wahrscheinlich ist Gorbis ganze Perestroika nichts weiter gewesen als die marktwirtschaftliche Entfesselung von starrer Staatssicherheit in quirliges Business (Mafia). Helmut Höge

wird fortgesetzt