■ Naher Osten: Die Diskriminierung der Christen nimmt zu
: Den Säkularismus stärken

Die Kirchen des Nahen Ostens schlagen Alarm. Denn die um sich greifende islamistische Ideologie macht sie zu Außenseitern in ihren eigenen Gesellschaften. Verschärft wird die Situation der vierzehn Millionen Christen durch das Verhalten der arabischen Regierungen. Einst dem Säkularismus verpflichtet, geben sie sich bei der Bekämpfung der islamistischen Opposition inzwischen häufig islamischer als die Islamisten selbst. Viele Christen ziehen daraus die Konsequenz und wandern aus ihren Heimatländern aus. Auch die Sicht der westlichen Medien, die den Nahen Osten nur mehr als Ansammlung exotischer oder gar feindlich-islamischer Gesellschaften betrachten, trägt zur Misere bei.

Doch es sind die nahöstlichen Kirchen selbst, die zögern, die tägliche Diskriminierung lautstark anzuprangern, da sie gleichzeitig zu den größten Patrioten in ihren Ländern zählen. Tatsächlich stecken die christlichen Minderheiten in einem Dilemma: Einerseits werden sie während gesellschaftlicher Krisen, wie sie die meisten nahöstlichen Gesellschaften derzeit durchleben, als Minderheit schnell an den Rand gedrängt, was wiederum die christliche Identität ungewollt stärkt. Andererseits sieht die Minderheit in der Betonung eines 150prozentigen Patriotismus für jenen Staat, der sie aussondert, nach wie vor ihren besten Schutz.

Eine Einmischung von außen im Namen der Menschenrechte und der Religionsfreiheit wird diese schizophrene Situation kaum aufzulösen helfen und kann schlimmstenfalls genau das Gegenteil des Beabsichtigten erreichen. Zu frisch sind die bitteren Erinnerungen an die Zeiten, als sich die europäischen Kolonialmächte zur Schutzmacht der christlichen Minderheiten in der Region aufgespielt hatten, um ihre dortigen Interessen durchzusetzen. Wer von außen geschützt wird, kann schnell zum nationalen Verräter abgestempelt werden. Das ist so ziemlich das letzte, was die arabischen Christen heute gebrauchen können. So fördert das ganze Gerede von der christlichen Minderheit, die es zu schützen gilt, nur den Argwohn der Mehrheit.

Das beste Rezept gegen die Diskriminierung der christlichen Minderheiten ist nicht die Hervorhebung einer Konfession, die es zu schützen gilt oder der mit einer Quote beim Zugang zu Positionen in Politik und Gesellschaft auf die Beine geholfen werden kann, sondern die Förderung eines Säkularismus, in dem die Frage nach der Religionszugehörigkeit zur reinen Privatsache erklärt wird. Karim el-Gawhary