■ Mit Hongkongs Skeptikern auf du und du
: Wie in der DDR

Peking (taz) – Wer redet noch von Hongkongs Demokraten? Vor sechs Monaten, als die ehemalige britische Kronkolonie in die Hände der Pekinger Kommunisten fiel, waren Leute wie Martin Lee in aller Munde. Doch heute will von dem mutigen Rechtsanwalt, der jeder chinesischen Menschenrechtsverletzung auf der Spur bleibt, kaum noch einer etwas wissen. Der erfolgreiche Führer der Demokratischen Partei Hongkongs nimmt es gelassen: „Ich bin frei, und bei uns darf jeder demonstrieren. Nur eine Zukunftsgarantie darauf gibt es nicht.“

Lee ist bereits damit beschäftigt, den ersten Wahlkampf unter chinesischer Herrschaft vorzubereiten. Zwar werden von den sechzig Mitgliedern des zukünftigen Hongkonger Parlaments nur noch zwanzig in freier Wahl bestimmt. Doch unter ihnen wird sich aller Voraussicht nach auch Lee und ein Dutzend weiterer Provokateure des Pekinger Regimes wiederfinden.

Einen Ausgang aus der Wirtschaftskrise, die derzeit alle Hongkonger beschäftigt, sieht auch Lee nicht: „Das Urteil ist noch nicht gefällt, ob sich Asien im Zuge der Krise öffnet oder schließt.“ Süd-Korea ist für ihn ein positives Beispiel, da dort die Demokratie auch in der Krise reagiert hat: Mit dem Regierungswechsel zu Kim Dae Jung. In China aber sieht der Politiker die Situation weiterhin kritisch: „Das chinesische Wirtschaftswachstum der letzten Jahre war zwar enorm, aber es baute auf nichts auf. Und seine Basis bleibt unstabil: China hat nach wie vor ein korruptes System“, sagt Lee.

Martin Lee ist kein Wirtschaftsprofessor. Wie viele Bewohner Hongkongs treibt ihn in der gegenwärtigen Krise die Angst, daß die wahren volkswirtschaftlichen Probleme der Region noch immer verdeckt sind. Wer kann den Pekinger Wachstumszahlen wirklich vertrauen? Hat man nicht am Beispiel der DDR erlebt, wie ein angeblich prosperierender Industriestaat in Wirklichkeit einer Wirtschaftsruine glich.

Für den Demokraten Lee kommt erschwerend hinzu: Gerade in der Wirtschaftsdebatte muß er einräumen, daß Hongkong und China tatsächlich schon in einem Boot sitzen – ein Ausdruck, den sonst nur der von Peking eingesetzte Gouverneur Tung Chee Hwa benutzt. Georg Blume