Analyse
: Ifo kaltgestellt

■ Wirtschaftsforscher sollen weniger Politik und mehr Empirie liefern

Der Trend zum Schlankerwerden, der seit Jahren der Wirtschaft harsche Diäten abverlangt, macht auch vor den großen Wirtschaftsforschungsinstituten nicht halt. Einzig das relativ kleine Institut für Weltwirtschaftsforschung (IfW) in Kiel kommt in der am letzten Freitag vorgestellten Bewertung von vier Instituten durch den Wissenschaftsrat ungeschoren davon. Das Münchener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hingegen soll von der sogenannten Blauen Liste gestrichen werden, in der die öffentlich besonders geförderten Forschungsinstitute stehen, und zu einer bloßen Service- Einrichtung herabgestuft werden. Damit ereilt das Ifo dasselbe Schicksal wie das Hamburger HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung vor eineinhalb Jahren.

Das Ifo habe sich zu sehr mit Auftragsforschung für Dritte befaßt und dadurch seine Grundlagenforschung vernachlässigt, lautet einer der Vorwürfe des Wissenschaftsrates. Dies habe die Qualität der wissenschaftlichen Forschung verschlechtert und die Zahl der beschäftigten Wissenschaftler über Gebühr auf 134 ansteigen lassen. Dem Kieler IfW bescheinigt der Wissenschaftsrat dagegen ein klares Forschungsprofil. Mit rund 70 Forschern kommt es einem neuen Institutsmodell entgegen, für das das Londoner Centre for Economic Policy (CEPR) steht, wie der Volkswirtschaftler Klaus Zimmermann kürzlich in der Süddeutschen Zeitung schrieb. Hierbei handelt es sich um ein Netzwerk von rund 500 Wissenschaftlern an diversen Universitäten und Instituten. Arbeitsgruppen können flexibel für neue Projekte gebildet und dann wieder aufgelöst werden. Sollte sich diese Netzwerkstruktur in der Grundlagenforschung durchsetzen, wird die Bedeutung der Großinstitute auf die Erhebung und Bereitstellung empirischer Wirtschaftsdaten reduziert. Dafür spricht auch die Kritik des Wissenschaftsrates an der mangelnden Zusammenarbeit der Wirtschaftsinstitute mit den Universitäten, die für ihre theoretische Grundlagenforschung auf ausreichendes Datenmaterial angewiesen sind. Die Zurückstufung von Ifo und HWWA könnte dann nur der Anfang gewesen sein. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) empfahl der Wissenschaftsrat, sich organisatorisch und personell zu verändern, „um in Zukunft neue Forschungsthemen flexibel aufgreifen zu können“.

Die Bewertung der vier großen Wirtschaftsinstitute durch den Wissenschaftsrat ist Teil der Prüfung aller 83 Forschungseinrichtungen der Blauen Liste, die im Jahr 2000 abgeschlossen sein soll. Die Forschungsgelder der Blauen Liste, die je zur Hälfte von Bund und Ländern bezahlt werden, belaufen sich zur Zeit auf etwa 1,2 Milliarden Mark. Der Wissenschaftsrat hat bereits die Schließung von vier der bisher 25 untersuchten Einrichtungen empfohlen. Niels Boeing