Bezwungene Registrierkassen

■ Kaputtmachen und Zusammensetzen: „Late Realism“im KX auf Kampnagel

Der Zusammenhang beginnt draußen. Die Zerstörung auch. An den Außenwänden ist das 15 mm starke Drahtseil verankert, wird dann durch die Wände geführt und verändert auf technisch-brutale Art in 45 Meter Länge die einst von Athanasios Pallas gestaltete Raumflucht von KX auf Kampnagel. Es bildet das verbindende Element der Gemeinschaftsausstellung Late Realism. Der Hamburger Künstler Florian Langmaack ist mit dem New Yorker Pete Missing seit 1982 befreundet, seitdem er einmal als Gast in der Noise- und Industrial- Band Missing Foundation mitspielte. Die Erfahrung des „Kaputtmachens und neu Zusammensetzens“blieb für ihn auch wichtig, als er 1989 zur bildenden Kunst wechselte.

Den eigenen Kunststil definiert Florian Langmaack als „Late Realism“und seine endzeitlichen Versuche, dem angeblichen Verschwinden der Realität etwas entgegenzusetzen, haftet etwas Gewalttätiges an. Bei Wasserwaagen mag es noch naheliegen, sie durch Zersägen in eine rechtwinklige Form zu zwingen und als Bilderrahmen zu verwenden. Bei einem Mauser-Gewehr und Registrierkassen wird das schon merkwürdiger.

Ein kleines Statement gegen den Kapitalismus ist auch der „Geld-Entwertungsstand“. Hier werden Worte in Münzen geschlagen oder 2-Markstücke durch Überprägen mit „200“zugleich aufgewertet und dem Kapitalkreislauf entzogen. Das wirkliche Kapital ist, wie Künstler immer wieder einfordern, die Phantasie. Und die kann im nächsten Raum auf Reisen gehen: Eine simple Lichtvorrichtung wird zur Flugmaschine, die den Schatten der BenutzerInnen Flügel verleiht.

Nach manchen Tourneen und Kooperationen lebt Pete Missing als Wanderer zwischen den Künsten und seit 1995 in Berlin. Den hintersten Raum von KX hat er in eine übervolle Gesamtinstallation verwandelt. Auf Boden, Tisch und Wand, zwischen Glasregalen und Wassertanks dreht und blinkt, schnarrt und tönt eine technisch-gläserne Welt inmitten Resten natürlichen Grüns.

Die schlicht überwältigende Installation dieses skurrilen Wunderkammerlabors verbreitet in ihrer universellen Mischung großstädtischer Subkultur, die von New York über Hauptstadt Berlin nach Gotham City führt, ein Gefühl der 70er Jahre. Damals war es Harald Szeemann, der auf der documenta 5 solchen Inszenierungen den Begriff „Individuelle Mythologien“verpaßte.

In ergänzenden Veranstaltungen ist mehr über die Welt dieser Künstler zu erfahren, sonst ist der die ganze Ausstellung durchziehenden Ambivalenz zwischen Zerstörung und Behauptung, zwischen seltsamen Details und fiktivem Zusammenhang am besten mit ausgeliehenen Ferngläsern nahzukommen.

Hajo Schiff

KX Kunst auf Kampnagel, Do + Fr, 16-20 Uhr, Sa + So, 14-18 Uhr, bis 7. Februar, Radiosendung „Storyteller“, m orgen, 20 Uhr; Film „From I'm to I'll“, Do, 5.2., 20 Uhr