Vielleicht wird die CDU-Zentrale besetzt

■ Am Protesttag der Arbeitslosen am 5. Februar will Klaus Grehn, Bundeschef des Arbeitslosenverbandes, sich nicht auf die Arbeitsämter konzentrieren. „Im Osten wächst der Frust“

taz: Arbeitsloseninitiativen rufen zum Protesttag am 5. Februar auf. Warum wird der Arbeitslosenverband erst jetzt aktiv?

Klaus Grehn: Unser Verband ist schon lange aktiv. Pro Jahr helfen wir in unseren Beratungsstellen bis zu 150.000 Menschen, damit sie Zahlungen von Arbeitsamt bekommen oder eine neue Stelle finden. Anläßlich des Weltspartages am 30. Oktober sammelten wir die Sparpfennige der Arbeitslosen und schickten sie an Finanzminister Theo Waigel. Wir haben dafür eine Spendenquittung bekommen.

Woran liegt es, daß man Ihre Aktionen kaum wahrnimmt?

Wenn es nicht spektakuläre Massenproteste sind, schauen die Politik und die Bevölkerung weg.

Die Arbeitslosen in Frankreich besetzten die Arbeitsämter. Wollen Sie jetzt auch Berliner Politikern die Buffets leerfuttern?

Wir werden uns nicht auf die Arbeitsämter konzentrieren. Man soll nicht den Esel schlagen, wenn man den Sack treffen will. Die Politik trägt die Verantwortung.

Welchen Politiker wollen Sie besuchen?

Natürlich denken wir zuerst an die Regierungsparteien.

Planen sie die Besetzung der Berliner CDU-Zentrale?

Das liegt alles im Bereich des Möglichen. Man kann auch Senatsstellen ins Auge fassen.

Was haben Sie beim Landesarbeitsamt vor?

Einige von uns werden sich 24 Stunden oder länger dort zur Verfügung stellen, um eine Stelle anzunehmen.

Welche Forderungen wollen Sie durchsetzen?

Wir verlangen zum Beispiel die Rücknahme des verschärften Gesetzes, das Anfang Januar in Kraft getreten ist. Es ist nicht zumutbar, daß Arbeitslose selbst Jobanzeigen in Zeitungen schalten und diese auch bezahlen.

Ihre Ziele sind defensiv. Warum fordern Sie nicht, daß der Senat 2.000 Stellen mit eigenen Mitteln in Beschäftigungsgesellschaften einrichtet?

Wir gehen viel weiter: Alle weggekürzten ABM-Stellen sollen wieder bereitgestellt werden. Die Ostländer würden damit über 180.000 zusätzliche Jobs verfügen.

Und Berlin?

Hier kämen rund 25.000 Leute wieder in Arbeit.

Das Geld für ABM-Stellen bezahlen die Bundesanstalt für Arbeit und die Bundesregierung. Warum nehmen Sie nicht den Senat stärker in die Verantwortung?

Die Kommunen haben doch keine finanziellen Spielräume mehr. Die Bundesregierung ist für die Misere verantwortlich.

Geben Sie für die Bundestagswahl eine Empfehlung ab?

Mit der CDU-FDP-Regierung darf es nicht weitergehen.

Sind Sie für Rot-Grün?

Eine rot-grüne Regierung ist mir wesentlich lieber als die große Koalition. Auch die PDS sollte man nicht ausgrenzen.

Werden in Ostdeutschland französische Verhältnisse eher erreicht als im Westen?

Ich denke ja. In den ersten Jahren nach 1989 haben die Menschen nicht gewagt, sich an die Vorteile der Kollektivität und der sozialen Sicherung der DDR zu erinnern. Jetzt werden sie wieder selbstbewußter und vergleichen die Systeme. Damit wächst auch der Frust in Ostdeutschland. Interview: Hannes Koch