„Wir sind die Schmuddelkinder“

■ Uta Meier, Bundesvorsitzende von Pro Familia, über mögliche Folgen der Entscheidung der Bischöfe in der Abtreibungsfrage

taz: Die katholische Kirche will zwar Schwangere beraten, aber keine Scheine mehr ausstellen. Sind die Anlaufstellen von Pro Familia demnächst überfüllt?

Uta Meier: Wenn die katholischen Beratungsstellen nicht mehr im Sinne des Paragraphen 218 arbeiten, werden ihnen auch die staatlichen Fördermittel gestrichen. Will der Gesetzgeber aber weiterhin ein flächendeckendes Netz an Beratungsstellen zur Verfügung stellen, dann wird wahrscheinlich angefragt, ob die evangelische Kirche, freie Träger oder auch Pro Familia ihr Beratungsangebot ausbauen können und zusätzliche Kräfte einstellen.

Also eine Aufwertung für Sie?

Nein, uns war es immer ganz wichtig, daß ein weltanschaulich plurales, wohnortnahes Netz an Beratungsstellen vorhanden ist. Und wir nehmen das auch weiterhin ernst. Die Praxis der Beratung zeigt, wie wichtig ein Gleichklang zwischen Ratsuchender und Beraterin ist. Nur so kann im Konfliktfall wirklich gut beraten werden. Für die gläubigen katholischen Frauen wird das ein riesiges Problem, daß sie von ihrer Kirche im Stich gelassen werden.

Haben die Bischöfe ein Eigentor geschossen?

Gerade die katholische Kirche hat 1995 bei der Neufassung des § 218 die Zwangsberatung durchgesetzt. Ihr haben wir doch den ganzen Zoff zu verdanken. Wir wollten das damals nicht. Wir hatten die Zielvorstellung der selbstbestimmten Frau. Und es ist paradox, daß wir nun ein Beratungskonzept mit Zwangsberatung ausbauen müssen, das wir für überflüssig halten wie einen Kropf.

Mit welchen Veränderungen rechnen Sie?

Viele Kolleginnen befürchten erhebliche Mehrarbeit. Denn die Beratungsstellen sind nicht besonders üppig ausgestattet. Viel wesentlicher aber finde ich die Haltung der Bischöfe. Da sie die Beratungsbescheinigung als „Tötungslizenz“ bezeichnen, machen sie sich sozusagen die Hände nicht schmutzig und verweisen ihre Klientel an uns. Und wir sind dann die Schmuddelkinder der Nation.

Warum wird immer wieder behauptet, Sie gingen leichtfertig mit Abtreibung um?

Es gibt auch bei uns keine Beraterin, die leichtfertig damit umgeht. Das sind ideologische Unterstellungen. Dahinter steht eine Frauenverachtung, die sich nicht nur auf die ratsuchenden Frauen bezieht, sondern auch auf die Beraterinnen. Und es geht dabei nicht nur um Pro Familia. Auch den jetzt vom Papst unter Druck gesetzten katholischen Beratungsstellen wird ja unterstellt, daß sie ihre Arbeit nicht gut machen und nicht zum Leben hin beraten.

Auch Sie müssen die Frauen zur Schwangerschaft ermutigen. Wie kommen Sie damit klar?

Wir informieren über sämtliche Hilfen, die den Frauen angeboten werden können. Die Frauen, die hierherkommen, machen es sich nicht leicht. Aber das Selbstbestimmungsrecht der Frau, das im Grundgesetz verankert ist, gibt ihnen auch das Recht, einen Schein zu fordern und ein Gespräch zu verweigern. Interview: Constanze v. Bullion