Außer Kontrolle geraten

■ Hillary Clinton: Sonderermittler Starr provoziert eine Staatskrise

Es ist nicht neu, daß Regierungen Angriffe als Ausfluß von Verschwörungen begreifen. Auch Clinton machte schon einmal eine Verschwörung der Medien dafür verantwortlich, als er 1994/95 die Gunst der Mehrheit der Amerikaner verloren hatte. Hillary Clinton ist nun weiter gegangen. Das Land müsse über die sich zusammenbrauende Verschwörung zur Amtsenthebung des Präsidenten eigentlich entsetzter sein als über die Vorwürfe gegen ihren Mann. Zur Begründung verweist sie auf die über ihre ursprüngliche Aufgabe weit hinausgewachsene Ermittlung des Sonderstaatsanwalts Kenneth Starr, der eigentlich einen Immobiliendeal aus dem Jahre 1978 untersuchen sollte und jetzt der Mann ist, dessen Ermittlungen Clintons Sturz herbeiführen können.

Die Rolle des Sonderermittlers, die eigens geschaffen wurde, um derartige Untersuchungen von Parteipolitik frei zu halten, ist in Verruf geraten, von Anfang an ein Instrument der Gegner des Präsidenten zu sein. Unabhängig davon, wie Historiker einmal über die Amtsführung Kenneth Starrs urteilen werden, im Ergebnis führt seine Arbeit zu einer Staatskrise. Nehmen wir mal Abstand von den sexuellen Verstrickungen und von der komplizierten juristischen Konstruktion des Sonderstaatsanwalts und betrachten, was Clinton eigentlich vorgeworfen wird: Er soll mit einer Angestellten sexuellen Verkehr gehabt haben. Unabhängig davon, wie man moralisch über solches Handeln urteilen mag, außer Hillary Clinton geht das eigentlich niemanden etwas an. Aber Clinton soll auch noch gelogen haben. Was Wunder! Welcher Mann – welche Frau – würde das in der Lage nicht tun? Die Gefahr, die dem Staat dadurch droht, ist allemal geringer als die, die durch das Verfahren entsteht.

Kenneth Starr mag nicht der Kopf und auch nicht das Instrument einer Verschwörung sein, aber die Untersuchung, die er betreibt und bei der er Beamte der Leibwache Clintons nach ihrer intimen Kenntnis der Gepflogenheiten ihres Dienstherren befragt, hat die Dimensionen eines Staatsstreichs angenommen. Der rechtmäßig gewählte Präsident steht in Gefahr, sein Amt verlassen zu müssen, wegen Verfehlungen, deren Tragweite in keinem rechten Verhältnis zur Verfassungskrise steht, die von der außer Kontrolle geratenen Instanz des Sonderermittlers ausgeht. Peter Tautfest

Bericht Seite 13