Kein Sekt bei Tony Blair

■ Mit den Alben von Travis und den Stereophonics ist die Außenhandelsbilanz des Britpop wirklich nicht zu retten

Das Zentralorgan sorgt sich: „Ist es tatsächlich erst ein paar Jahre her, daß wir an der Spitze der Welt standen und Britpop bereit schien, die global führende musikalische Kraft zu werden?“Steve Sutherland, der Chefredakteur des Mew Musical Express, ist enttäuscht von der britischen Popmusik des Jahres 1997: Die großen Bands hätten die Erwartungen nicht erfüllt, die in ihre neuen Platten gesetzt wurden. Und Nachwuchs, der den Stolz der Popnation neubegründen könnte, sieht Sutherland auch nicht, abgesehen von Embrace, die sich recht unoriginell zwischen dem, grob gesagt, vorletzten (Oasis) und dem letzten Erfolgsmodell (The Verve) hindurchlavieren.

Nun sind Chefredakteure oft Generalisten, deren Blick fürs große Ganze schon mal Entwicklungen übersieht. Aber die beiden britischen Bands, die jetzt in Hamburg gastieren, müssen sich von ihrer Nichterwähnung in Sutherlands Jahresbilanz getroffen fühlen. Denn sowohl Travis als auch die Stereophonics werden von ihren Plattenfirmen auf den Schild des nächsten großen Dings gehoben. Beide stammen aus den Gebieten, denen Noel Gallaghers liebster Sektempfangsgastgeber Tony Blair größere Autonomie zugestanden hat. Doch weder entstammen die Stereophonics der Szene um das walisische Ankst-Label, die Gorky's Zygotic Minci und die Super Furry Animals hervorgebracht hat, noch haben Travis mit Belle & Sebastian oder Mogwai mehr gemein als die Heimatstadt Glasgow.

Beide sind nur ganz gewöhnliche Jungsrockbands, die den Pop-Erfolg suchen. Travis meinen, ihr, so sagt man wohl, Pubrock-Knaller All I Wanna Do Is Rock hätte weltweit ein Nummer-1-Hit werden müssen. Auf den werden auch die Stereophonics noch lange warten, doch sie können sich damit trösten, daß ihr bei V2 erschienenes Debüt-Album Word Gets Around viril genug klang, um von der Metal-Postille Kerrang zu den 20 besten Platten des Jahres gewählt zu werden. Den Walisern ist zugute zu halten, daß sie aus sorgfältig beobachtetem Dorfklatsch immerhin hübsche Textszenarien filtern – die sie dann aber ins Binsenweise schlußfolgern. Travis hingegen sind nur doof, was im Pop ja nicht zwangsläufig schlecht sein muß.

Doch wenn Tony Blair den Chef des Creation-Labels, Alan McGee, endlich zum Wirtschaftsminister gemacht hat und Steve Sutherland sein Berater sein darf, werden sie diese Bands bestimmt nicht im Auge haben, wenn die Steigerung der Außenhandelsbilanz ansteht.

Felix Bayer

Travis (mit Readymade): Mo, 2. Februar, 21 Uhr. Stereophonics: Mi, 4. Februar, 21 Uhr, Logo