Aus den Tanzsälen Transsylvaniens

■ Márta Sebestyén und ihre Muzsikás sind auf Hochzeiten genauso beliebt wie in Hollywood

Der blutrünstige Graf, der dort einst sein Unwesen getrieben haben soll, ist längst ein Weltstar, und das vor wenigen Jahren in seinem ehemaligen Hoheitsgebiet eingeläutete Ende der Ceaucescu-Diktatur hat international für erhebliches Aufsehen gesorgt. Dennoch: Für die meisten Menschen hierzulande bleibt die im Westen des rumänischen Karpatengebirges gelegene Provinz Transsylvanien hinter einem mystischen Nebelschleier verborgen.

Auch die Tatsache, daß mit der charismatischen Sängerin Márta Sebestyén und dem Quartett Muzsikás die bekanntesten musikalischen BotschafterInnen der Region gar nicht aus Rumänien, sondern aus Budapest kommen, mag vordergründig rätselhaft erscheinen. Die Erklärung liegt jedoch auf der Hand: In Transsylvanien gibt es seit Jahrhunderten eine starke ungarische Minderheit, deren archaisch anmutende musikalische Bräuche nach wie vor wichtiger Bestandteil eines von jahrzehntelanger staatlicher Isolation und Repression geprägten Alltags sind.

In den Tanzsälen, vor allem aber auf den oft zwei Tage andauernden Hochzeitsfeiern sind auch heute noch traditionelle Streicher-Ensembles unverzichtbar. Bei allen Unterschieden im Ausdruck orientieren sich diese Gruppen an einem gleichbleibenden Schema: Der erste Geiger führt mit honigsüßem Spiel durch einen Zyklus von Tänzen, dessen Ende eine der zahlreichen Varianten des Csárdás markiert. Das rhythmische Schrammen der Bratsche bestimmt derweil zusammen mit dem tiefen Sägen des Basses den Beat, während der meist melancholische Gesang in seiner Melodieführung ähnlich unebenen Pfaden zu folgen scheint wie die Sprache, in der er vorgetragen wird.

Muzsikás haben sich in den 25 Jahren ihres Bestehens als Meister der virtuosen Interpretation dieses Stiles erwiesen. Das hat ihnen neben Erfolgen in den táncház, den Tanzhäusern Budapests, mittlerweile auch ausverkaufte Konzerthallen in Westeuropa, Fernost und den USA beschert – nicht zuletzt dank Márta Sebestyén, die in der Lage ist, mit ihrer betörenden Vokalkunst selbst ungehobelte Klötze andächtig verstummen zu lassen. Sebestyén war es im übrigen auch, die mit einem A-capella-Lied unlängst den Soundtrack des Filmes Der englische Patient bereicherte. Daß dieses fragwürdige Leinwand-Epos für seinen enormen Gehalt an Kitsch und Pathos mit einem Oscar bedacht wurde, ist zwar betrüblich; die Sängerin aber könnte durch diese Ehrung immerhin dem legendären Grafen einen weiteren Schritt auf der Bekanntheitsskala näherkommen. Und das wäre allemal verdient.

Jan Möller

Mi, 4. Februar, 20 Uhr, Fabrik