Eltern in Schränken

■ Kindheitstrauma: Das Theater Triebwerk reist allein in „Das Haus meines Lebens“

In jedem Schrank kann ein Ungeheuer lauern, wenn man klein ist und sich einsam und verlassen fühlt. Wie schön wäre es da, eine tröstende Mutter und einen starken Vater zu haben. Frederiks Fall ist leider komplizierter: Der junge Mann durfte nie ein richtiges, umhätscheltes Kind sein. Als er einen Trip in seine Vergangenheit wagt, findet er statt Monstren die Eltern in den Schränken. Entsprechend sind sie ihm keine große Hilfe, sondern eher ein Hindernis, das es zu überwinden gilt.

Das Kinder- und Jugendstück Das Haus meines Lebens, eine Koproduktion des Theater Triebwerks, der Theaterwerkstatt Hannover und Kampnagel, läßt eine schlimme Kindheit wiederauferstehen und vermengt sie mit noch schrecklicheren Angstbildern. Die Mutter (schön exaltiert: Martina van Boxen) hat eine frappierende Ähnlichkeit mit einer Wölfin, vielleicht hat sie sogar Frederiks kleine Schwerster aufgefressen. Den Vater (Michael Haßenfuß) tangiert die unheilvolle Atmosphäre nur am Rande: Meist versteckt er sich hinter einem Buch, und mit Frederik redet er am liebsten über Hausaufgaben, wenn überhaupt.

Schlüssel zur familiären Misere scheint die Schwester (Claudia Fenner) zu sein. Sie ist ertrunken, ihr Tod, ja ihre Existenz wird verschwiegen, und die nichteingestandenen Schuldgefühle vergiften das häusliche Klima bis zur Ungenießbarkeit. Frederik, von Erik Shäffler in überzeugenden Wechseln vom Kleinkind zum Erzähler dargestellt, muß eine weite Reise durch die Abgründe der eigenen Psyche auf sich nehmen, bevor er sich mit der Vergangenheit aussöhnen und endlich wieder groß sein kann.

Das Stück von Suzanne van Lohuisen, einer Vertreterin des anspruchsvollen holländischen Kindertheaters, wurde von Thomas Bammer als Gesamtspektakel inszeniert, das mit vielen schönen Effekten aufwartet, das aber trotzdem Schwierigkeiten hat, die anvisierte Altersgruppe ab elf Jahren über mehr als achtzig Minuten zu begeistern. Die eingebauten Filmsequenzen mit Bildern aus der Hamburger Kanalisation kollidieren mit der weichen, in ihrem Schrecken dennoch poetisch-phantastischen Atmosphäre auf der Bühne.

Wirklich überragend sind dagegen die tanzenden, kriechenden und schmatzenden Dämonen, für die die Choreographin Angela Guerreiro verantwortlich zeichnet. „Was ist das denn? Frösche? Ratten?“– da legte selbst der gelangweilteste Teil des schulpflichtigen Publikums gnädigerweise das betont zur Schau getragene Desinteresse ab. Barbora Paluskova

bis Samstag, 7. Februar, Kampnagel (wechselnde Termine)