Krebskranke auf die Straße geschickt

■ Arzt kämpft gegen die Einschränkung der ambulanten Betreuung von KrebspatientInnen am Krankenhaus Barmbek

Krebskranke, die Patienten des Allgemeinen Krankenhauses Barmbek sind, sollen sich nach neuen Ärzten umsehen. Das sieht zumindest ein Beschluß der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) vor, nach dem die Klinik die Betreuung von Krebspatienten drastisch reduzieren muß. Doch gegen diese Entscheidung regt sich nun Protest: Die Hamburger Patienteninitiative hat die KVH aufgefordert, ihren Beschluß zurückzunehmen. Und auch der Leiter der onkologischen Ambulanz, der jetzt nur noch die Hälfte der 200 Tumorkranken behandeln darf, hat Widerspruch eingelegt.

Immerhin sind Menschen betroffen, „die aufgrund ihrer Krebserkrankung existentiell bedroht sind“, erklärt Kerstin Hagemann von der Initiative. „Die haben nicht die Kraft, für die ihnen noch verbleibende Zeit zu einem anderen Arzt ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.“Und auch Brigitte Hellmann-Lenz von der „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ist „mehr als entsetzt“von der KVH-Entscheidung.

Der Leiter der onkologischen Ambulanz, Ulrich Müllerleile, hofft, daß der Berufungsausschuß der KVH so schnell wie möglich über seinen Widerspruch entscheiden wird. „Darüber, wie wir selektieren sollen, wer behandelt wird und wer nicht, denken wir zur Zeit noch nicht nach“, so der Internist. Sein Team kümmert sich sowohl um Patienten, die noch Aussicht auf Heilung haben, als auch um „austherapierte“Schwerstkranke.

Über den Widerspruch wird nach Einschätzung von KVH-Geschäftsführer Dieter Bollmann frühstens im April entschieden. Der Beschluß der KVH sieht neben der Patientenreduzierung vor, daß die Tumorkranken nur noch mit Chemotherapie behandelt werden sollen. Außerdem benötigen sie ab jetzt eine Überweisung von einem Arzt, der an der sogenannten Onkologievereinbarung teilnimmt. Bislang genügte ein entsprechender Schrieb des Hausarztes. „Der Patient soll sich einen Krebsarzt suchen, obwohl er in Barmbek mehr als gut versorgt wird“, kritisiert Hagemann. In der Hansestadt gibt es rund 50 onkologisch ermächtigte Ärzte, davon allein 36 Urologen. Qualifizierte internistische Krebsärzte sind dagegen rar.

Brigitte Hellmann-Lenz hat selbst erfahren, wie lang die Wartezeiten bei niedergelassenen Onkologen sind: „Menschen, denen es richtig schlecht geht, werden aufgrund der Gesundheitspolitik gezwungen, sich einer langen Prozedur zu unterziehen.“Die Anfahrtswege seien für Schwerstkranke ebenso unzumutbar wie die Forderung, die gesamte Krankengeschichte neu aufzurollen.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der GAL-Fraktion, Peter Zamory, kritisiert die Entscheidung der KVH: „Im Verteilungskampf um die Abrechnungspfründe der niedergelassenen Ärzte dreht die Kassenärztliche Vereinigung die Schrauben an. Statt die notwendige Kooperation zwischen stationärer und ambulanter Versorgung voranzutreiben, versucht sie, dem AK Barmbek Patienten wegzunehmen.“ Lisa Schönemann